Dirk Niebel über das Abkommen
Über das Zustandekommen des Abkommens für Gebäudesicherheit und Brandschutz in Bangladesch sagt Entwicklungsminister Dirk Niebel am 26.05.2013 in der ARD: "Das ist vor allem eine Leistung der Bundesregierung gewesen, die die ganzen Gruppierungen auch an einen Tisch gebracht hat, die von den Gewerkschaften vorher immer abgeschreckt wurden."
Richtig ist: Schon im April 2011 stellen Vertreter der Kampagne für Saubere Kleidung zum ersten Mal Ideen für eine Verbesserung der Gebäudesicherheit des Brandschutzes in der Textilindustrie von Bangladesch vor. Es dauert ein gutes Jahr, bis im Jahr 2012 die ersten Unternehmen ein sogenanntes "Memorandum of Unterstanding" unterschreiben. Zuerst der US-Konzern PVH (Calvin Klein, Tommy Hilfiger), später das deutsche Unternehmen Tchibo.
Damit die Vereinbarung wirksam wird, müssten noch mindestens zwei weitere Unternehmen das Papier unterschreiben. Die Kampagne für Saubere Kleidung und die International Labour Organisation (ILO) bitten weitere Textilunternehmen zu Gesprächen. Ohne Ergebnisse. 2013 wird die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), eine bundeseigene Gesellschaft zur Förderung der Entwicklungshilfe, in die Verhandlungen mit einbezogen. Im April verschickt die GIZ ein Papier mit dem Titel "Fire Safety Alliance -Technical and Financial Proposal". Es bleibt hinter den konkreten Vorstellungen der Gewerkschaften zurück. Die GIZ hofft offenbar, möglichst viele Unternehmen von der Unterzeichnung zu überzeugen und schraubt die Anforderungen an das Abkommen herunter.
So legt die GIZ später ein Papier mit Prinzipien ("Principles for an Alliance") vor, im Unterschied zu einer verbindlichen Vereinbarung der Gewerkschaften ("Accord"). Das "Steering Board", das über die Maßnahmen für eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Bangladesch wachen soll, kann laut "Prinzipienpapier" nur einstimmig entscheiden - das Gewerkschaftsabkommen sieht hingegen eine Mehrheitsentscheidung vor. So könnten einzelne Mitglieder Entscheidungen blockieren. In einer internen Mail kritisiert ein Gewerkschafter die Vorschläge der GIZ: Folgeinspektionen seien nicht klar geregelt, öffentliche Transparenz von Fabrik-Kontrollen und Instandsetzungen nicht gewährleistet und Konsequenzen bei Nicht-Erfüllung von Auflagen völlig unklar.
Am 29.04. treffen sich Textilunternehmen, Gewerkschaften, die Kampagne für Saubere Kleidung und andere Organisationen am Sitz der GIZ in Eschborn. Man trennt sich ohne Ergebnis. Wenige Tage später führen die Gewerkschaften ihre Verhandlungen ohne die GIZ weiter und fordern die Unternehmen auf, das ursprüngliche, verbindliche Abkommen der Gewerkschaften zu unterzeichnen. Kurz vor Ablauf eines Ultimatums und unter dem Eindruck der 1100 Toten im Fabrik-Komplex Rana Plaza unterzeichnen schließlich fast 40 Unternehmen das weiter reichende Gewerkschafts-Abkommen.