Sendedatum: 20.09.2012 21:45 Uhr

Hass statt Gastfreundschaft: Asyl in Wolgast

von Anna Orth, Anne Ruprecht, Djamila Benkhelouf

Drei kleine Kinder spielen auf dem Rasen, tanzen zu Musik, die aus einem geöffneten Fenster auf den Hof dringt. Ein Idyll - auf den ersten Blick. Bei genauerem Zuhören versteht man: es ist ein rechtsradikaler Song mit fremdenfeindlichem Inhalt, der da aus einem Plattenbau in Wolgast ertönt. Die Kinder verstehen den Text nicht. Sie sind Flüchtlinge und erst seit Kurzem in Deutschland.

 

VIDEO: Hass statt Gastfreundschaft: Asyl in Wolgast (11 Min)

 

Kein herzliches Willkommen

Die Flüchtlinge sind nicht willkommen in der Plattenbausiedlung, die ihnen die Kreisverwaltung unlängst als Unterkunft zugewiesen hat. Zunächst 24 Asylbewerber, darunter viele Familien, sind vor rund drei Wochen dort eingezogen. Dafür wurden einige Mieter in benachbarten Blocks untergebracht, und das sorgte bereits vor dem Einzug für böse Kommentare. Von "Luxus-Sanierung" ist die Rede, davon, dass die Neuankömmlinge alles sofort neu bekommen, wofür die Einheimischen, darunter viele Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger, bei den Ämtern lange betteln müssten. Die NPD macht sich die ablehnende Stimmung zu Nutze, befeuert mit Flugblättern und Kundgebungen vor Ort die ausländerfeindliche Stimmung. Irgendwann ziert der Spruch "heute sind wir tolerant - morgen fremd im eigen Land" die Wand des Blocks.

"Unterbringung mitten im Leben"

Wolgast - Siedlung
Luxusunterkunft? In dieser Siedlung sind die Flüchtlinge untergebracht.

Dabei sind die Räume für die Neuankömmlinge mehr als karg: zwei Tische, vier Stühle, Etagenbetten aus Stahl, Metallspinde als "Wohnzimmerschränke": Luxus sieht anders aus. Und auch draußen herrscht Tristesse. Viele Bewohner der Plattenbauten sind zum Teil schon seit Jahren arbeitslos, der Aufschwung Ost, hier jedenfalls ist er nie angekommen.

Doch die Kreisverwaltung verteidigt ihre Entscheidung, nennt es eine "Unterbringung mitten im Leben". Endlich würden die Asylbewerber im deutschen Leben integriert und nicht irgendwo abseits untergebracht. Die Anfeindungen würden sich bislang durchaus  im "Rahmen des Normalen" abspielen. "Rostock-Lichtenhagen wird sich nicht wiederholen" sagt der Wolgaster Bürgermeister, der die Entscheidung des Landkreises vor Ort umsetzen muss, der Reporterin im Film und fügt nach einer Pause hinzu: "hoffentlich, hoffentlich".

 

Weitere Informationen

Wolgast: Initiative schlägt Alarm

Eine Kampagne gegen Rassismus hat einen Offenen Brief an die politisch Verantwortlichen geschrieben, um auf die Situation der Asylsuchenden in Wolgast aufmerksam machen. extern

Stellungnahme Panorama

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"Einseitige, verzerrte, verletzende Darstellung"

Stellungnahme des Bürgermeisters zum Beitrag "Ausländer raus!" - Hetze gegen Flüchtlingsheim. Download (47 KB)

Hass statt Gastfreundschaft: Asyl in Wolgast

Der Panorama-Beitrag vom 20. September 2012 als PDF-Dokument zum Download. Download (180 KB)

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 20.09.2012 | 21:45 Uhr

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