Exxon: US-Konzern vergiftet Grundwasser in Norddeutschland
Deutschland erlebt einen regelrechten Gasrausch: Überall wird gebohrt und gebuddelt. Grund dafür sind die steigenden Ölpreise - sie lassen die Nachfrage nach der günstigeren Alternative rapide ansteigen. Doch der Boom birgt ein hohes Risiko: Erdgas gilt zwar einerseits als umweltfreundlich und unverzichtbar im Kampf gegen den Klimawandel. Andererseits kommt es bei der Förderung weltweit immer wieder zu Unfällen – mit verheerenden Folgen: Giftige, krebserregende Stoffe wie Benzol und Toluol gelangen in die Umwelt und vielleicht sogar in den menschlichen Blutkreislauf. Auch in Deutschland?
50 Jahren "störungsfreie Förderung?"
Exxon Mobil, der größte Erdgasförderer in Deutschland, bestreitet die Gefährdung von Menschen. Der US-Konzern spricht stolz von "50 Jahren störungsfreier Förderung" - und erhält Rückendeckung von der Kontrollbehörde. Nach Angaben des niedersächsischen Amtes für Bergbau werden "in der Regel" alle Vorgaben eingehalten. Doch Recherchen des NDR decken auf, dass es auch in Deutschland bereits zu Unfällen gekommen ist – bei denen zumindest Grundwasser und Böden vergiftet wurden.
Erdgas und weitere Abbauprodukte werden durch kilometerlange Rohre transportiert. Dabei treten immer wieder Gifte aus, denn offenbar sind Rohre immer wieder Ursache von Störfällen. Krebserregendes, flüchtiges Benzol etwa könnte nach Expertenmeinung die Rohre durchdringen und so in die Umwelt gelangen. Andere Rohre sind offenbar fehlerhaft verlegt worden und haben Risse. Exxon Mobil hat viele solcher Leitungen in Betrieb. Die zuständige Behörde hat offenbar jahrelang nicht ausreichend geprüft. Nach den Recherchen des NDR wurde jetzt begonnen einzelne Rohrleitungen zu untersuchen.
Niedersächsischer Wirtschaftsminister kritisiert eigene Landesbehörde
Der Wirtschaftsminister von Niedersachsen, Jörg Bode (FDP), übt in Panorama deutliche Kritik am niedersächsischen Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG). Die dem Wirtschaftsministerium unterstehende Behörde hatte nach der Entdeckung eines Giftunfalls mehr als drei Jahre gebraucht, um mit der Untersuchung auch anderer Gasfelder auf vergleichbare Gefahren zu beginnen. Bei dem Unfall auf dem von ExxonMobil betriebenen Erdgasfeld Söhlingen im Jahr 2007 war es zu Grundwasserverunreinigungen gekommen. Wirtschaftsminister Bode sagt nun: "Der Zeitraum ist wirklich relativ lang, und ich finde auch, dass er zu lang ist". Zudem kündigt der Minister "eine externe Überprüfung des Bergbauamtes" an, um "die Fehlerquellen finden und abstellen zu können."
Durch die NDR-Recherchen ist der Druck auf den Minister ist in den letzten Monaten gestiegen, nachdem weitere Verschmutzungen auf anderen Erdgasfeldern in Niedersachsen – etwa in Hengstlage - bekannt geworden sind. Dort ist nach Feststellung des LBEG krebserregendes Benzol und Quecksilber in die Umwelt gelangt. Auch im Grundwasser ist es zu Verunreinigungen gekommen. Die Schadstoffquellen könnten nach Auskunft des LBEG undichte Rohrleitungen sein. Mindestens zwei Leitungen wurden deshalb inzwischen stillgelegt. Die Untersuchungen hatten erst nach Berichten des NDR-Fernsehens im Dezember 2010 begonnen.
Keine Verantwortung des Ministeriums?
Wirtschaftsminister Bode kritisiert jetzt in "Panorama", dass er persönlich erst 2011 über den Vorfall informiert worden sei. Er kündigt an, Er werde die "Kommunikationswege seiner Behörde überarbeiten", die Kommunikation des Bergbauamtes müsse "offensiver und offener" werden. Sich selbst sieht Bode nicht in der Verantwortung: "Es gibt keinen Punkt, wo ich mir irgendetwas vorzuwerfen habe. Das Ministerium hat zu jedem Zeitpunkt richtig gehandelt. Außerdem bin ich ja erst seit anderthalb Jahren Minister."
Der Grünen-Abgeordnete im niedersächsischen Landtag, Stefan Wenzel, lässt diese Entschuldigung Bodes nicht gelten: "Er ist ab dem ersten Tag verantwortlich, er ist am Ende auch für seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen verantwortlich und für die Kommunikationswege in seinem Haus."