Volksentscheid Hamburg: Egoismus macht Schule
"Ein großer Tag für die Demokratie! - Das Volk hat entschieden, gegen die Parteien." Das sind die Stimmen, die in Hamburg nach dem Volksentscheid gegen die Einführung einer Primarschule die Runde machen. Eine Bürgerinitiative hat sich gegen den Vorschlag der Hamburger Bürgerschaft durchgesetzt.
Dabei hatten sich tatsächlich alle ins Parlament, die Bürgerschaft, gewählten Parteien in Hamburg - von den Linken bis zur CDU - für eine Schulreform eingesetzt: Längeres, gemeinsames Lernen, um vor allem leistungsschwächeren Schülern mehr Chancen zu geben. Diese Idee ist nun gescheitert. Aber ist das ein Sieg für die Demokratie?
Tatsächlich haben vor allem die Bürger aus den besseren Hamburger Stadtteilen abgestimmt, deren Kinder zum Großteil aufs Gymnasium gehen. In den einkommensschwächeren Stadtteilen, in denen viele Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen, in denen es mehr Arbeitslosigkeit und einen höheren Migrationsanteil gibt, in diesen Stadtteilen war die Wahlbeteiligung gering.
Die Hamburger, deren Kinder von der Reform besonders profitiert hätten, haben folglich gar nicht mitgestimmt. Bei allen Vorteilen direkter Demokratie - hat sich in Hamburg tatsächlich das Gemeinwohl durchgesetzt? Einmal haben die Politiker das getan, was man als Bürger von ihnen erwartet. Sie haben sich nicht an Parteipolitik oder Tagesumfragen, sondern an der Sache und der einhelligen Expertenmeinung orientiert, einen Kompromiss geschlossen und gemeinsam gekämpft. Die Früchte einer Schulreform wären zum Teil erst in Jahren zu erkennen gewesen.
Aber dieser Schulterschluss kam bei den Hamburgern nicht an, die Parteien wurden abgestraft. Mit dem Ergebnis, dass vermutlich viele Politiker in Deutschland erst einmal einen Bogen um das Thema Primarschule machen werden.