Nachfragen unerwünscht - Egon Krenz und die Mauertoten
Panorama - Die Reporter vom 03. Juni 2009
Ein schönes Häuschen nahe dem Darß, die Ostsee vor der Tür. Hier hat er sich gemütlich eingerichtet: Egon Krenz, jahrzehntelang Spitzenfunktionär des SED-Regimes. Gutbürgerlich lebt er jetzt im beschaulichen Ostseebad Dierhagen in Mecklenburg-Vorpommern und ist beliebt – der Bürgermeister von Dierhagen stört sich nicht an der Vergangenheit seines berühmten Zugezogenen. Er lobt Krenz als zurückhaltenden Bürger, der zu DDR-Zeiten "der Kleinste und Humanste von allen" gewesen sei.
Dabei hat Egon Krenz, das politische Ziehkind Erich Honeckers, in der DDR eine steile Karriere hingelegt: vom FDJ-Chef zum Staatsratsmitglied bis hin zum zweiten Mann hinter Honecker. 1989 wird er für wenige Wochen zum Staatsratsvorsitzenden gewählt. Für seine Rolle um die Todesschüsse an der Mauer wurde er in den 1990er-Jahren in einem Verfahren zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt, von denen er lediglich vier Jahre absitzen musste – überwiegend als Freigänger.
Zum 20. Jahrestag der Wende könnte Krenz Zeugnis von der DDR ablegen. Doch er gibt keine Interviews. Dabei gäbe es viele Fragen, die er beantworten könnte: Wie steht er heute zu den Mauertoten? Wie bewertet er das Unrecht in der DDR? Eine Antwort hat unser Reporter Christoph Lütgert nicht bekommen. Aber er hat festgestellt, dass Krenz in seinem eigenen Universum lebt – zwischen Empfängen in Moskau, Reisen nach Vietnam und Vorträgen vor DDR-Nostalgikern.