Pressemeldung: Pharmakonzerne verstoßen gegen Gesetz zur Ärztefortbildung - Ärztekammern versagen bei Überprüfung
Pharma-Firmen unterlaufen offenbar die gesetzlich festgeschriebene wirtschaftliche Unabhängigkeit der Ärztefortbildung. Das hat das NDR-Magazin "Panorama" bei einer stichprobenartigen Untersuchung von Ärztefortbildungen in den letzten zwei Wochen festgestellt (Sendung: Donnerstag, 16. August, um 21.45 Uhr im Ersten). Vor allem in Internetfortbildungen betreiben Pharmaunternehmen Werbung für eigene Produkte. Die für die Überwachung zuständigen Ärztekammern versagen bei der Überprüfung.
Bei einer stichprobenartigen Untersuchung der Internet-Fortbildungsportale der Pharmakonzerne Novartis und Merck Sharp & Dohme (MSD) hat "Panorama" festgestellt, dass einzelne Fortbildungen eindeutig gegen § 95d SGB 5 verstoßen. Der Paragraph regelt, dass die Ärztefortbildung frei von wirtschaftlichen Interessen sein soll.
"Panorama" hat die Schulungen vom Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen, von der Bayrischen Kassenärztlichen Vereinigung und dem ehemaligen Vorsitzenden der Arzneimittelkommission Prof. Dr. Bruno Müller-Oerlinghausen bewerten lassen. Alle drei kamen zu dem Ergebnis, dass die vorgelegten Fortbildungen nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind.
Für die Überwachung der Fortbildungsqualität sind die Landesärztekammern zuständig. Sie sollen nach dem Willen des Gesetzgebers die Fortbildungen überprüfen. Auf "Panorama"-Anfrage erklärte aber der Präsident der Bayrischen Landesärztekammer Dr. Hans Helmut Koch, man überprüfe nicht alle Fortbildungen im Einzelnen. Koch sprach gegenüber "Panorama" von personeller Überforderung der Ärztekammer. Er räumte bei mindestens einer Fortbildung Fehler ein.
Man verlasse sich im Übrigen auf die vertragliche Zusicherung der Pharmakonzerne, dass die Fortbildungen gesetzeskonform seien. Man wolle die Internet-Fortbildungen der Pharma Industrie künftig verstärkt kontrollieren.
Das Bundesgesundheitsministerium hat die Landesärztekammern aufgefordert, ihre Aufgaben wahrzunehmen und eine Fortbildung frei von wirtschaftlichen Interessen zu gewährleisten. "Es kann nicht sein, dass es am fehlenden Personal liegt", so Staatssekretär Klaus Theo Schröder gegenüber "Panorama". "Es war im Interesse der Ärztinnen und Ärzte selber, aus dem Verdacht herauszukommen, dass Fortbildungen viel zu stark beeinflusst werden durch die deutsche Industrie, und das kann man nur dadurch beseitigen, dass die Ärztekammern ihren Job an der Stelle machen." Das Gesundheitsministerium habe bereits die Bundesärztekammer angesprochen und aufgefordert, "Ordnung in den eigenen Reihen" zu schaffen.
Das Pharma-Unternehmen Novartis hat in einer Stellungnahme gegenüber "Panorama" die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Inhalte der Schulungen würden unabhängig von wirtschaftlichen Interessen entwickelt. MSD kündigte gegenüber Panorama an, man nehme die Vorwürfe ernst und werde die kritisierte Fortbildung gemeinsam mit der Ärztekammer Bayern überprüfen.
16. August 2007