Stand: 21.02.2007 18:35 Uhr

El-Masri - Die seltsame Geschichte eines Haftbefehls

Vor drei Wochen, am 31. Januar, war es in Deutschland die Nachricht des Tages: die deutsche Justiz erlässt Haftbefehl gegen 13 mutmaßliche CIA-Agenten. Nach monatelangen Ermittlungen hatte die Münchner Staatsanwaltschaft den Haftbefehl erwirkt. Weltweit, wie der zuständige Staatsanwalt August Stern damals erklärte. Doch drei Wochen lang galt dieser Haftbefehl nur innerhalb der deutschen Grenzen. Erst seit Mittwochmittag wird offenbar weltweit nach den 13 mutmaßlichen CIA-Agenten gefahndet - nachdem PANORAMA recherchiert und nachgefasst hat.

Die mutmaßlichen CIA-Agenten sollen Anfang 2004 den Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri im mazedonischen Skopje gekidnappt und zu monatelangen Verhören nach Afghanistan verschleppt haben. Der Vorwurf: schwere Körperverletzung und Freiheitsberaubung.

Der Haftbefehl der Münchner Staatsanwaltschaft wurde allenthalben als mutiger Schritt und großer Erfolg der deutschen Justiz gefeiert.

Aber was wurde daraus, sind die Agenten verhaftet?

PANORAMA entschied sich, drei der Angeklagten direkt mit dem Haftbefehl zu konfrontieren. Eigene Recherchen hatten ergeben, dass drei der mutmaßlichen CIA-Agenten in North-Carolina leben.

Zwei von Ihnen konnte PANORAMA vor Ort nicht antreffen. Der Dritte ließ sofort die Polizei rufen. Die teilte außerdem mit, dass in den Vereinigten Staaten wohl kein Haftbefehl vorliegen würde.

Anlass für die Redaktion, die Ausschreibung des Haftbefehls genauer zu überprüfen.

Und tatsächlich ergab die Recherche: Anfang der Woche war der Haftbefehl gegen die 13 mutmaßlichen CIA-Agenten weder in den europäischen Fahndungsregistern noch bei Interpol abrufbar.

Auf Nachfrage bei der Münchner Staatsanwaltschaft erklärte der zuständige Ermittler Martin Hoffmann, er habe den Haftbefehl wie geplant europaweit und weltweit ausgeschrieben und ans Landeskriminalamt weitergegeben. "Da sind verschiedene Kästchen, eins für Europa und eins für Interpol, die habe ich beide angekreuzt und dann das Formular meiner Sachbearbeiterin übergeben." Mehr wisse er nicht, PANORAMA solle sich daher an das Bundeskriminalamt wenden.

Die wollten auch nichts sagen, verwiesen aber auf den Artikel 13 der Richtlinien für Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt). Dort steht, dass das Bundesjustizministerium ein Haftbefehlersuchen überprüfen und bewerten kann, wenn es "von besonderer Bedeutung in politischer, tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung sein könnte".

Im Klartext: Alle Haftbefehle lagen offenbar vorübergehend auf Eis, zur Prüfung beim Justizministerium. Seit Tagen.

Das klingt nicht gut, schon gar nicht nach entschlossener Ruhmestat der Justiz. Eher nach großer diplomatischer Vorsicht. Deswegen wollte man sich wohl beim Justizministerium gegenüber PANORAMA auch nicht äußern. Die Ausrede: zuständig sei die Staatsanwaltschaft München. Die allerdings war völlig ahnungslos, dass die Fahndung noch nicht erfolgt war.

Erst ein neuerliches Fax der PANORAMA-Redaktion brachte dann Klarheit und der Prüfung der Fahndung offenbar den nötigen Schwung.

Mittwochmittag kam die Antwort. Zur weltweiten Fahndung heißt es jetzt wörtlich: "Die Bundesregierung tritt dem nicht entgegen. Das Bundeskriminalamt wurde hierüber vom Bundesamt für Justiz unterrichtet".

Also: Erst seit Mittwoch geht die Fahndung nach den mutmaßlichen CIA-Agenten richtig los. Nach vielen PANORAMA-Anfragen. Und notgedrungen zu einem Zeitpunkt, den man wohl nie freiwillig gewählt hätte: Dem derzeitigen Besuch von US-Außenministerin Condoleeza Rice, der man die Haftbefehle nun eigentlich persönlich überreichen könnte.

PANORAMA-Meldung vom 21. Februar 2007

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 12.10.2006 | 21:45 Uhr

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