Tricksen und flüchten - Immer mehr Väter zahlen keine Alimente
Wenn Eltern sich trennen, gehte es meist nicht mehr um das Beste für die Kinder: Dann geht es ums Sorgerecht und ums Geld. Wer bekommt die Kinder, und wer zahlt wieviel Unterhalt. In Deutschland gibt es Zehntausende Väter, die für ihre Kinder keine Alimente zahlen, entweder weil sie es sich wirklich nicht leisten können, oder weil sie das ganz einfach nicht wollen. Für die alleinerziehenden Frauen ist der Kampf ums Geld zermürbend, für die Kinder völlig unverständlich und für den Staat und damit für den Steuerzahler teuer. Vater Staat - rund eine Million Kinder können diesen Begriff fast wörtlich nehmen, denn er muss einspringen, wenn Papi sich drückt.
Anna und Lara haben keinen Papa mehr, obwohl der nur drei Dörfer weiter lebt. Von seinen Töchtern will er nichts mehr wissen, ebensowenig wie von der Mutter. Unterhalt für die Kinder hat der Vater noch nie bezahlt. Dabei geht es ihm finanziell gar nicht so schlecht. Die Mutter Brigitta Wysocki verzweifelt daran: "..... dass ich nicht beweisen kann, wie gut es ihm eigentlich geht, dass ich es nicht beweisen kann. Ich höre es immer nur über Dritte, wie er prahlt, es geht ihm gut, und wie er eine Runde nach der anderen in der Kneipe schmeißt, und wie er sich - sein Hobby war oder ist Eisenbahn, wie er sich im Wert von mehreren tausend Mark Eisenbahnteile kauft und die lagert, kistenweise, ja, und ich nicht weiß, wie ich meinen Kindern ein Paar ordentliche Schuhe kaufe."
Hier lebt der Vater jetzt. Von Haus, Auto und seiner Baufirma konnte bisher nichts gepfändet werden, der Papa hat Vermögen überschrieben und sich arm gerechnet. Kein Geld also für die Kinder. In der Kneipe treffen wir ihn. Er spielt mit Kameraden Karten. Walter Schwiering, lebt jetzt mit einer anderen Frau und Tochter zusammen und das nicht schlecht. Die Auftragslage seiner Baufirma ist gut. Walter Schwiering erzählt, womit er sein Geld verdient: "Wir machen Baudienstleistung, Haussanierung, Estricharbeiten, Renovierungen, Neubau, Altbau."
Interviewerin: "Das heißt, Ihnen geht's finanziell ganz gut?"
Walter Schwiering: "Ja, denke ich mal, ja."
Interviewerin: "Wie gut?"
Walter Schwiering: "So, dass man davon leben kann."
Interviewerin: "Wie gut kann man davon leben?"
Walter Schwiering: "Also so, dass man über die Runden kommt, dass man sein Häuschen hat, dass man sein Auskommen hat, dass man seine Familie ernähren kann, dass man sein Auto fährt, dass man in Urlaub fahren kann. Also es geht schon rund."
Interviewerin: "Dass man auch Unterhalt zahlen kann?"
Walter Schwiering: "Denke ich mal, ja."
Interviewerin: "Tun Sie das?"
Walter Schwiering: "Ja, sicher."
Interviewerin: "An wen? Sie zahlen Unterhalt?"
Walter Schwiering: "Nein, ich zahle keinen Unterhalt."
Interviewerin: "Warum haben Sie das dann eben gesagt?"
Walter Schwiering: "Weil Sie mich danach gefragt haben."
Interviewerin: "Haben Sie nicht Kinder, die Unterhalt haben wollen?"
Walter Schwiering: "Doch, ich habe eine Tochter, innerhalb meiner Familie, und ich denke mal, innerhalb der Familie brauche ich keinen Unterhalt zu zahlen."
Interviewerin: "Und noch mehr Kinder?"
Walter Schwiering: "Nein."
Interviewerin: "Kennen Sie nicht mehr?"
Walter Schwiering: "Nee, also nein, nein, nicht so'n Gespräch, nein, nein, nicht auf der Schiene."
Interviewerin: "Die Mutter Ihrer anderen Kinder sagt, Sie zahlen keinen Unterhalt."
Walter Schwiering: (zu den Kartenspielern) "Wer ist dran?"
Brigitta Wysocki ist fassungslos: "Das fass ich nicht, wie man so was machen kann. Das ist sein Fleisch und Blut. Und, ja, ich weiß nicht, wie ich den Kindern jemals erklären soll, wenn die alt genug sind: Warum habe ich denen solchen Vater zugemutet."
Einen Drückeberger. Vater Staat springt ein. Das Jugendamt überweist Brigitta Wysocki den sogenannten Unterhaltsvorschuss. Jeden Monat bekommen Anna und Lara zusammen 490 Mark aus der Steuerkasse.
Ein Drittel aller Unterhaltspflichtigen zahlt nichts für die eigenen Kinder. Bundesweit 490 Millionen Mark mussten die Länder deshalb im vergangenen Jahr aus der Steuerkasse abzweigen. Die Beamten versuchen sich diese Gelder zurückzuholen, meistens von den Vätern. Aber das gelingt nur in jedem fünften Fall, weil die Väter nicht zahlen können oder wollen und tricksen.
Wolfgang Junkuhn vom Jugendamt in Eutin: "Für Kindesväter gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich ihrer Unterhaltspflicht zu entziehen. Selbständige sind in der Lage, ihr Einkommen zu verschleiern. Abhängig Beschäftigte, insbesondere Handwerker, sind in der Lage schwarz zu arbeiten, lassen sich kündigen durch Firmen, beziehen dann Arbeitslosengeld und arbeiten nebenbei schwarz. Und Sie haben im Grunde als Mitarbeiter des Jugendamtes kaum die Chance, hier vom Schreibtisch aus denen nachzuweisen, dass entsprechendes Einkommen da ist."
Antje Hausigk versucht seit zehn Jahren, bei ihrem geschiedenen Mann Unterhalt für die Kinder einzutreiben. Aber der Vater entzieht sich hartnäckig, indem er die Wohnorte wechselt. Ein Vater erfolgreich auf der Flucht, weil Jugendämter und Justiz zu wenig zusammenarbeiten.
Antje Hausigk erklärt, was ihre Lage so schwierig macht: "Oftmals kommt man nicht zum Erfolg, weil der Vater sich eben nicht ordnungsgemäß an- und abmeldet, weil der Vater eben keine Lohnbescheinigung schickt, weil der Arbeitgeber nicht mitarbeitet. Und dadurch zieht sich das einfach durch den ganzen Zeitraum, und die Kinder sehen am Ende in den Mond."
Sechs Jahre bekam die Mutter Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt. Danach war Schluss, so lautet das Gesetz. Jetzt muss sie mit ihren Kindern zum Sozialamt. Ihrem ehemaligen Mann ist das vermutlich egal. Die Familie ist zerrüttet, der Vater trägt einen Beziehungskrieg zu Lasten der Kinder aus. Mittlerweile wohnt der Vater am Bodensee. Die Briefe des Jugendamtes Bitterfeld ließ er unbeantwortet. An der Klingel steht immer noch sein Name. Aber wir erfahren, dass er nicht mehr an dieser Adresse wohnt. Mal wieder ist der unterhaltspflichtige Vater unbekannt verzogen. Wir finden seinen Arbeitgeber. Der Vater arbeitet bei dieser Leasing-Firma. Geld muss also da sein.
Ein Mann erzählt, dass der Vater bei der Firma "Verführt" fest angestellt ist. Ob er ein regelmäßiges Einkommen hat, weiss er allerdings nicht.
Wir zeigen der Mutter, Antje Hausigk, einige Bilder von dem Vater. Und die hat fast schon damit gerechnet, dass sie mit der Jugendamtsmitarbeiterin neue Suchanträge stellen muss. So sind die Jahre ins Land gegangen - außer Spesen nichts gewesen.
Antje Hausigk ist genervt: "Das ist einfach nervig, ohne Ende, und die Kinder bekommen das zum Teil auch mit und sagen dann auch immer: Ach, Mutti, lass doch."
Aufzugeben, das käme für eine Frau nie in Frage. Der resoluten Rechtspflegerin Astrid Leonhardt aus Mosbach ist jeder Mittel recht, um Unterhaltsäumige zu verfolgen. Sie will, dass Ämter und Gerichte enger zusammenarbeiten. Nur wenige sind so engagiert.
Astrid Leonhardt von der Jugendhilfe in Mosbach: "Ich drohe im konkreten Einzelfall mit Zwangsvollstreckung und schreibe dazu und parallel Strafanzeige. Denn das hintereinander zu tun, ist recht sinnlos. Und ein ganz probates und beliebtes Mittel ist bei uns die Kontenpfändung, denn die tut unendlich weh, da verschwindet nämlich die Karte im Geldautomat, wenn sie reingesteckt wird."
Auf diese Weise holt die Alimente-Jägerin fast fünfzig Prozent aller Unterhaltsvorschüsse zurück. Bei Kindern und Steuergeldern kennt sie keine Gnade, denn sie weiß: Wenn Eltern im Hass auseinandergehen, wird aufgerechnet, und das Gesetz macht es Unterhaltsflüchtigen leicht - zu Lasten der Kinder.
85 Prozent der Unterhaltspflichtigen sind Väter. Im selteneren, im umgekehrten Fall: Der Vater hat die Kinder, und die Mutter soll zahlen, drücken sich anteilige genauso viele Mütter wie Väter vor den Zahlungen. Unschuldig sind also nur die Kinder.
Literatur:
Heiß/Heiß: Die Höhe des Unterhaltes von a bis z;
dtv-Taschenbuch.
Kern: Recht auf Unterhalt;
Wallhalla-Fachverlag.