Sendedatum: 01.02.2002 21:45 Uhr

Test ohne Zulassung - Wie Deutschland zum BSE-Land wurde

von Bericht: Stephan Stuchlik

 

Einer ist schuld. Das muss ja immer so sein, aber in diesem Falle ganz besonders. Gäbe es ihn nicht, hätten wir keinen Rinderwahnsinn, keine Massenschlachtungen, keine Bauern, die sich selbst als die größten Opfer betrachten. Dafür wären noch so einige Minister im Amt. Deutschland wäre BSE-frei, das könnten wir zumindest weiterhin glauben und uns unbekümmert dem Rindfleisch, später vielleicht dem Wahnsinn hingeben. Ein Mann hat ein Dokument unterschrieben, weil er überzeugt war, das Richtige zu tun. Und danach war in diesem Lande fast nichts mehr, wie es einmal war.

Ein unscheinbarer Bau im Zentrum Hamburgs, Arbeitsplatz für die Beamten der Gesundheitsbehörde. Einer von ihnen hat den größten Lebensmittelskandal in Deutschland seit Jahrzehnten ausgelöst: Dr. Wolfgang Hahn. Denn der Tierseuchen-Experte Dr. Hahn hat im Juli letzten Jahres eine folgenschwere Akte unterschrieben. Mit der durfte ein Hamburger Labor damals schon den BSE-Schnelltest durchführen. Ein Test, den es nach den damaligen Regeln eigentlich gar nicht hätte geben dürfen:

"Zu dieser Zeit war dieser Test noch nicht zugelassen, so dass für das Arbeiten mit diesem Test noch eine Ausnahmegenehmigung notwendig war, die nach dem Tierseuchengesetz, das ist die Rechtsgrundlage für diese Ausnahmegenehmigung."

Mit dieser in Deutschland einmaligen Ausnahmegenehmigung ging in diesem Hamburger Labor das Testen los. Dann ging die erste BSE-Kuh Deutschlands zum Abdecker: positiver Testbefund. Dann ging die Gesundheitsministerin. Und zum Schluss ging auch noch der Landwirtschaftsminister - alles eigentlich nur wegen der Unterschrift eines Hamburger Beamten.

Dr. Hahn: "Für die politische Katastrophe bin ich nicht verantwortlich. Wenn man einen Test zulässt zur Untersuchung - und diese Tests waren ja im Zulassungsverfahren -, dann muss man auch damit rechnen, dass positive Ergebnisse dabei herauskommen, sonst brauche ich nicht zu testen."

An positiven Ergebnissen war man in anderen Behörden in Deutschland offenbar nicht so sehr interessiert wie Dr. Hahn in Hamburg. Anderswo gab es eben keine Sondergenehmigung, anderswo gab es Dienst nach Vorschrift - etwa im Süden der Republik, das Gesundheitsdezernat der Regierung von Oberbayern. Bei den Kollegen von Dr. Hahn gab es in puncto BSE-Tests keine Sondergenehmigung.

Christoph Spindler, Regierungsmitglied in Oberbayern: "Wir haben nach Recht und Gesetz entschieden, und das Gesetz sieht nun mal vor, dass die allgemeine Zulassung in der Bundesrepublik Deutschland eine Voraussetzung für eine solche Genehmigung ist."

Der Freistaat Bayern könnte also heute noch BSE-frei sein, wenn es nicht den Hamburger Dr. Hahn und seine Sondergenehmigung gegeben hätte. So aber wurden bayerische Kühe doch noch getestet - in Hamburg eben. Und siehe da: ein BSE-Fall nach dem anderen.

Und so musste die bayerische Gesundheitsministerin Stamm doch noch Verantwortung übernehmen, so unschuldig sie sich auch lange gab. Sie trat am Ende zurück, als Spätfolge der Unterschrift eines Hamburger Beamten.

Dr. Hahn: "Ich habe diesen Antrag beschieden, so wie es diesem Antrag zustand, und habe Recht und Gesetz geprüft und habe das so getan. Als Held fühle ich mich überhaupt nicht."

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Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 01.02.2002 | 21:45 Uhr

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