Polemisieren, diffamieren, kriminalisieren - Chaos bei der CDU
Glaubt man der CDU/CSU, werden wir von zweifelhaften Figuren geführt, eben von Gewalttätern wie den Herren Fischer und Trittin und von Verbrechern wie dem Kanzler Schröder - man denke nur an die missglückte Plakataktion. Bleibt man in dieser doch schlichten Betrachtung, ist der Rest der Regierungsriege unehrlich wie die Herren Riester und Scharping oder unerfahren wie Frau Kühnast. In der Tat bietet die Regierung zur Zeit viele offene Flanken, nur ist die CDU/CSU nicht in der Lage, sie zu nutzen. Im Gegenteil: Die verzweifelt anmutenden Verbalausfälle und Attacken der Opposition in den vergangenen Wochen zeigen nur den Grad ihrer Konfusion und entlasten damit die angeschlagene Regierung.
Die CDU-Zentrale in Berlin. Drinnen Chaos in der Parteiführung. Nach draußen noch immer kein Profil. Doch statt effektiver Sacharbeit harte Attacken, populistisch, verletzend, heuchlerisch - seit einem Jahr.
Edmund Stoiber, CSU: "Nach dem Aschermittwoch ziehen wir das Büßerhemd aus, da ziehen wir den Kampfanzug wieder an."
Parolen vom Anheizer. Im bayerisch verordneten Kampfanzug mutieren die CDU'ler immer häufiger zu Politrambos. Die Themen sind egal.
Rente: Rot-Grün geht die überfällige Reform an. Die Opposition hat kein abgestimmtes Gegenkonzept. Für sie kein Problem. Diffamierungskampagnen sind einfacher. Riester ein Lügner, Schröder ein Betrüger.
Die eigene Vergangenheit wird verdrängt. Norbert Blüm. Jahrelang gaukelte er vor, die Rente sei sicher. Alle Kritiker dieser falschen Parole wurden abgekanzelt und beschimpft, die Probleme nie gelöst - zum Schaden aller.
Vergangenheit: Der heutige Außenminister als militanter Polizistenschläger. Da schreien die Christdemokraten nach Rücktritt und fordern Reue und Buße.
CDU-Chefin Angela Merkel: "Ich erwarte von Ihnen, dass sie sagen: Ich hatte eine total verquere Sicht auf die Bundesrepublik Deutschland der damaligen Zeit. Ich hab' mich geirrt, ich hab' eine falsche Sicht gehabt, dies war nicht die richtige Sicht, und ich habe deshalb Buße zu tun und das anzuerkennen, Herr Vizekanzler. Das ist die Sache."
Für die CDU selbst scheint Buße ein Fremdwort. Auch sie hat dunkle Flecken in den 60ern. Der bekannt Vorwurf damals: Nazis im Bundestag.
Franz Josef Strauss, CSU: "Wir sind eine Partei, die eine Heimat ist für alle diejenigen, die heute irre und unzufrieden sind, und dafür springen wir bewusst über manche Schatten der Vergangenheit, die uns sonst angehängt werden."
Damals hatte die CDU auch keine Skrupel, Kiesinger zum Kanzler zu wählen, ein ehemaliges NSDAP-Mitglied. Auch ein Mann mit einer Vergangenheit.
Erinnerungslücken: Der ewige Aussitzer Roland Koch. Auch er will nicht schweigen. Hämische Angriffe gegen Joschka Fischer: "Diese unangenehmen Seiten seiner Vergangenheit umgeht Joschka Fischer damit, dass er sich nicht erinnert."
Ausgerechnet der Mann, der sich in der Spendenaffäre an vieles nicht erinnern konnte, immer den Ahnungslosen spielte, ausgerechnet dieser Roland Koch beklagt die Erinnerungslücken des Joschka Fischer.
Und noch immer aktuell: der Skandal um die verschwiegenen CDU-Millionen. Schweigen, Gedächtnisverlust und Falschaussagen als politische Überlebensstrategie.
Flugaffäre: Zu oft soll Hans Eichel die Flugbereitschaft genutzt haben. Anlass für eine Hetzkampagne der Opposition. Früher hatte sie sich genau darüber beklagt.
Rita Süssmuth, CDU am 21.12.1996: "Auch bei dieser jüngsten Kampagne geht's mir so, dass ich einerseits traurig bin, aber ich bin auch zornig und wütend. Denn sie können mit Kampagnen Menschen so fertig machen, dass sie überhaupt nicht mehr beachten, um welche Wahrheit es denn geht."
Wahrheit? Tatsache ist, die Flugbereitschaft wurde von der Regierung Kohl viel häufiger in Anspruch genommen als unter Schröder.
Uran: Die gefährliche Munition als Topthema. Fehlende Informationen, unterdrückte Warnungen. Die Opposition hat Verteidigungsminister Scharping im Visier. Peinliches Schweigen zur eigenen Verantwortung. CDU-Mann Volker Rühe wusste während seiner Amtszeit als Verteidigungsminister vieles - und verschwieg es.
BSE: Plötzlich, zu plötzlich ist Deutschland nicht mehr BSE-frei. Die CDU kämpft deshalb gegen Funke und Fischer.
Hans Peter Repnik, CDU: "Beide haben bei diesem schwierigen Thema BSE versagt, und beide müssten eigentlich den Platz freimachen."
Wozu die Heuchler schweigen: Das BSE-Problem gibt es schon lange. Die damaligen Minister Kiechle und Borchert spielen die Ahnungslosen - bis heute.
Rücktritte: Zwei Minister übernehmen politische Verantwortung. Andrea Fischer und Karlheinz Funke treten zurück. Die Opposition ist voller Häme.
Edmund Stoiber: "Das zeigt natürlich auch, dass dem Herrn Bundeskanzler die Mannschaft langsam davonläuft."
Der bayerische Stimmungsmacher Edmund Stoiber will sich als großer Macher profilieren. Voller Stolz stellt er seinen neuen Verbraucherminister vor.
Edmund Stoiber: "Wenn ich jetzt hier mal an die Entscheidungen der Bundesregierung denke, dann, glaube ich, haben wir hier im Gegensatz zur Bundesregierung eine absolute Kompetenzlösung gewählt."
Der Kompetente ist so kompetent, dass er schon vor Amtsantritt zurücktreten muss. Gegen ihn läuft ein Steuerverfahren. Aber was ist schon eine verlorene Schlacht. Regieren 2002 heißt die Kampfparole. Mühsame Sacharbeit, klare Konzepte und das Bekenntnis zu eigenen Fehlern würden da nur stören. Die CDU macht es sich zur Zeit einfacher: Polemisieren, attackieren, diffamieren.
