Nachwuchs für die Nazis - Braune Hetze an den Schulen
Alle Parteien eint ein gemeinsames Problem: Sie haben keinen Nachwuchs. Die Jugend interessiert sich nicht für Politik, und auch Parteiarbeit gehört nicht unbedingt zu den favorisierten Freizeitbeschäftigungen. Eine Partei hat sich dieses Problems besonders angenommen und bemüht sich jetzt intensiv um die Anwerbung und Einbindung von Kindern. Es ist ausgerechnet die NPD. Sie geht an Schulen, organisiert Kinderfeste und fängt so schon bei den ganz Kleinen mit ihrer Propaganda an. Zusammen mit dem geschenkten Lolli gibt's gleich noch einen Ausländer-raus-Spruch. Erwachsene, also Eltern, scheint das nicht zu stören.
Am Wochenende in Greifswald: Aufmarsch der Neonazis, direkt vor einer Schule. Skinheads aus der ganzen Region sind angereist zu einer Demonstration der "Schülerinitiative für freie Meinungsäußerung und -bildung". Die Rechtsradikalen stellen sich als Saubermänner dar. Gegen Drogen und Gewalt - das leuchtet auch den Kleinen ein. Überall liegen Flugblätter herum. Ein Mädchen hat deshalb ein Plakat gebastelt. Jetzt wartet sie auf den Demonstrationszug.
Frage an sie: "Wer demonstriert denn heute, wer hat die Zettel verteilt?" "Das weiß ich auch nicht so genau, keine Ahnung."
Die Demonstranten skandiern: "Deutsche Jugend will eine Zukunft, deutsche Jugend will eine Zukunft."
Neonazis geben sich als Anwälte der Schüler. Die Eltern schauen zu. Keiner wehrt sich, keiner greift ein. Der Aufmarsch, von der Stadt als Schüler-Veranstaltung genehmigt. Dabei sind gar nicht alle Demonstranten Schüler. Doch Nachfragen sind unerwünscht.
Die Frage an einen: "Welche Schule sind Sie denn?"
Die Antwort des Skinheads: "Ich bin 38, ich bin älter wie du."
"Das ist eine Schülerdemonstration."
"Was?"
"Eine Schülerdemonstration. Auf welche Schule gehen Sie denn?
"Ich geh' nicht mehr zur Schule, meine Kinder gehen zur Schule, und ich hasse den Staat, auf jeden Fall."
Einer, der Klartext redet. Schlecht fürs saubere Image.
Der Skin: "Nur noch Ausländer oder was?"
"Gut, Mensch, das ist 'ne Schülerdemo", sagt eine Frau.
Trotz der angeheizten Stimmung - bei manchem Kind kommen die Parolen gegen Drogen und Gewalt an.
Ein Junge meint: "Ich weiß halt, dass es Scheiße ist, dass viele Leute, grade in Greifswald jetzt auch, mit den Drogen hier zu tun und so. Darum ist es schon richtig so, dass die dagegen protestieren."
Die NPD steckt ihr Revier ab und wagt sich bis auf Pausenhöfe vor. Jetzt gibt es sogar eine rechtsradikale Schülerzeitung in Greifswald. Der Skinhead Hannes Gerlach ist ihr Chefredakteur, 18 Jahre, NPD-Mitglied. Völlig unabhängig sei das Blatt, betont Gerlach. Und dabei hat er einen starken Gönner, die rechtsextreme NPD.
Hannes Gundlach vom "Greifswalder Sprachrohr": "Die NPD unterstützt uns in dem Maße, dass sie uns ihre Kopierer zur Verfügung stellt sowie auch bei der Schülerinitiative die Flugblätter, dass wir die eben kopieren können und eben uns auch Ratschläge gibt, wie man das noch verfeinern könnte, wie man das aufbauen könnte, weil sie ja selbst auch eine Zeitung haben."
Das "Greifswalder Sprachrohr", ein Sprachrohr der NPD? Obwohl NPD-Mitglieder für die Zeitung schreiben, firmiert die "Schülerinitiative für freie Meinungsäußerung und -bildung" als Herausgeber. Freie Meinungsäußerung - hier sieht sie so aus:
"Gaskammern in Ravensbrück", fragt ein Artikel und stellt per Zitat die Vergasung im KZ in Frage:
"Jedoch wird selbst die vorausgesetzte Tatsche, dass Menschen in Ravensbrück überhaupt vergast worden waren, von einigen Historikern angezweifelt."
"Das heißt, wir sind eigentlich für eine klare Geschichtsdarstellung", so Hannes Gundlach. "Und wir sind auch dagegen, dass wir heutzutage als böse Deutsche immer noch dargestellt werden. Wir müssen in die Zukunft blicken. So, und wir als Schüler, das heißt: die Generation jetzt, die muss doch später auch den Staat führen."
Die Schule ist machtlos. Sie kann nur verbieten, dass die Zeitung auf dem Schulgelände verteilt wird. Kein Problem für die Schülerinitiative: Sie fängt ihre Leser einfach vor den Toren ab.
Der Schuldirektor Peter Reinelt resigniert: "Ich kann diesen Schülern nicht den Kampf ansagen, letztendlich sind sie auch Missbrauchte. Ich muss diesen Schülern immer wieder eine Chance geben, ihren Weg im Leben zu finden. Etwas anderes wäre töricht. Wenn man all diese Schüler ausgrenzen würde, hätten sie überhaupt keinen Halt mehr."
Wenige Stunden später, am Rande einer Plattenbausiedlung. Ein neuer Frontabschnitt der Rechten. Die NPD veranstaltet ein Kinderfest, mit Büchsenwerfen und Glücksrad, Basteln und Sackhüpfen. Abstecken des neuen Reviers. Alles ist kostenlos, die Cola, die Würstchen und der Kuchen. So fängt man sich braune Kameraden.
Frage an die Kinder: "Was gefällt dir denn hier? Warum bist du hier?"
"Schöne Spiele, schöne Preise."
"Was ist die NPD für eine Partei?"
"Kinderfreundlich."
"Ich find' die NPD gut, und ich bin auch gegen Ausländer, weil das son paar Gründe hat, und, ja, deswegen so."
Eine Mutter sagt: "Wir nutzen das Wetter, und da wir auch ein Kind haben und sie auch gerne unter Kinder is', sind wir auch hierher gegangen."
"Was sagen Sie dazu, dass ein Kinderfest der NPD ist?"
"Uns stört das nicht."
Gut für Maik Spiegelmacher, NPD-Chef von Greifswald. Früher saß er mal im Knast, gemeinschaftlich versuchter Mord an einem Ausländer. Vom Schläger zum Strategen:
"Es ist nicht der Kampf um die Kinder, es ist der Kampf um das Volk, nicht der Kampf um die Kinder. Die Kinder gehören zum Volk."
Die NPD hat große Pläne, und ganz unverhohlen stellt sie ihre politischen Ansichten zur Schau, am Kuchentisch: "USA - internationale Völkermordzentrale".
Frage: "Was wollen Sie den Kindern damit sagen: ‚USA - internationale Völkermordzentrale'?"
Spiegelmacher dazu: "Wir wollen den Kindern damit gar nichts sagen, das gilt für die Eltern."
"Achtung, Achtung. Sackhüpfen, Sackhüpfen", verkündet einer der Skins.
Ein Mitglied der Schülerinitiative trommelt Kinder zusammen. Vielleicht werden die Kleinen ja mal fleißige Anhänger, Sprungbrett für eine Neonazi-Karriere.
"Wenn dort Mitglieder drei, vier Jahre lang aktiv sind, sie kriegen Ärger mit den Lehrern dadurch, die Eltern wirken manchmal auf sie ein, die Stadt. Bestehen sie diesen Wind, sind das natürlich Mitglieder, die nicht gleich umfallen, falls sich mal irgendwas ändern sollte. Sie sind gestandene junge Menschen, und die sind natürlich der NPD dann sehr willkommen", versichert Maik Spiegelmacher.