Sendedatum: 07.06.2001 21:00 Uhr

Filz, Intrigen, Skandale - Diepgens Freunde und die Pleite

von Bericht: Stephan Stuchlik

Vor 15 Jahren berichtete "Panorama" über Berlin als Hort von Korruption, Filz und Bestechung. Und schon damals berichteten sie auch über die CDU-Politiker Diepgen, Landowsky und Kittelmann. Wenn es um Politik und den Weg des Geldes, um Filz und Intrigen geht, um dilettantische Manager, nützliche Seilschaften, um unbekümmertes Durchhalten und eine Milliarden-Pleite, dann übertrifft die Stadt jedes Klischee. Die Panorama-Redaktion hätte es für möglich gehalten, einen Originalfilm von damals heute noch einmal senden zu können, weil dieselben Akteure, also Diepgen, Landowsky und Kittelmann, die Stadt jetzt mit in den Ruin getrieben haben.

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"Ihr Völker der Welt, Ihr Völker in Amerika, in England, in Frankreich, in Italien, schaut auf diese Stadt", sagte Ernst Reuter 1948. 1986 sang Eberhard Diepgen: "Ich bin von Kopf bis Fuß auf's Rathaus eingestellt, denn das ist meine Welt und sonst gar nichts." "Ganz Berlin ist eine Schmiere". Verschleuderte Steuergelder, schwarze Kassen, Bestechungsaffären, Korruption. Nie gab es so viele Verfahren wie heute, nie war das Ausmaß der Vorwürfe und die Zahl der Beschuldigten und Inhaftierten wegen Bestechung und Veruntreuung so groß, heißt es in dem Film.

"Ich finde es zum Kotzen, dass ein Politiker in dieser Stadt, ein Regierender Bürgermeister, zum Gericht laufen muss, um seine persönliche Integrität hier zu wahren. Das ist wirklich zum Kotzen", meinte Diepgen "Eine solche Schmutz- und Schundkampagne, wie sie in diesen Tagen abläuft, habe ich in meinen elf Jahren parlamentarischer Tätigkeit noch nie erlebt, meine Damen und Herren, noch nie erlebt", so Klaus Rüdiger Landowsky.

Drei Senatoren hätten durch die Affären mittlerweile ihre Posten verloren. Parallel zu den Strafprozessen wurden parlamentarische Untersuchungsausschüsse eingerichtet. Auch hochrangige Zeugen müssten hier Rede und Antwort stehen. Darunter die gesamte CDU-Spitze:

Eberhard Diepgen, Jurist.

Er hatte zugeben müssen, 1982 von einem unter Bestechungsverdacht verhafteten Bauunternehmer mehr als 40.000 Mark erhalten zu haben. Ein Teil des Geldes floss auf ein Fraktionskonto, von dessen Existenz langjährige CDU-Parlamentarier keine Ahnung hatten.

Klaus-Rüdiger Landowsky, Jurist.

Der CDU-Generalsekretär ist ein oft zitiertes Beispiel für politische und wirtschaftliche Vielseitigkeit: Abgeordneter, Vorstandsmitglied gleich bei zwei Banken, Mitglied in über einem Dutzend Gremien. Er hält die Partei fest im Griff.

Peter Kittelmann, Jurist.

Der stellvertretende Landesvorsitzende sitzt im Bundestag. Eine CDU-Gruppe in Berlin wurde nach ihm benannt: die K-Gruppe. Prominente Mitglieder: Landowsky, Diepgen, Kittelmann. Die drei haben eine gemeinsame Vergangenheit.

Szenen aus dem Dokumentarfilm "Mondo di notte - Welt ohne Scham" mit dem Thema des Films: Scheußlichkeiten aus aller Welt, zeigen unter anderen Klaus-Rüdiger Landowsky. Aber etwas anderes als Blut fließt viel mehr. Viele dieser Zecher sitzen heute im Parlament - oder im Berliner Senat: Eberhard Diepgen. Zusammen mit ihren Freunden betrieben diese drei den Aufstieg innerhalb der Berliner CDU, systematisch und erfolgreich.

Das CDU-Gründungsmitglied Ursula Besser meint: "Das Typische ist, dass sie sehr stark ein Gruppendenken entwickelt haben und dass sie hier eine Struktur entwickelt haben, die in erster Linie diese Gruppe zusammenhält und die Sicherheit, die eigene Sicherheit, aus dem Gruppenzusammenhalt bezieht."

Der Niedergang der SPD war der Glücksfall für die Gruppe um Landowsky, Diepgen, Kittelmann. Die CDU stand mit einer neuen Generation von Politikern zur Wachablösung bereit.

Harry Ristock von der SPD sagt: "Sie halten zusammen, wie eine Seilschaft zusammenhält, um zum Erfolg zu kommen. Ich glaube nicht so sehr, dass hier politische Theorien und Ideologien die Grundlage sind, sondern es ist der Machterwerb, der Machterhalt das bestimmende Element ihres Zusammenseins, ihres Zusammenhaltens."

Besser findet: "Man muss vielleicht auch sehen, dass es sich um eine Politikergeneration handelt, die den weiten Weg über das staatsbürgerliche Leben, den meine Generation gegangen ist, nicht mehr gegangen ist, sondern die Zum Teil - wenn es mal sehr grob ausdrücken will - von der Ausbildung oder von der Schulbank in die Politik gegangen ist. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt dabei. Es fehlen eben Kenntnisse und Erkenntnisse, die der Mensch nur im praktischen Leben im Staat erwerben kann."

Die K-Gruppe ist eine Ansammlung ganz normaler Karrieren in einer deutschen Provinz. Zwischen Blut und Bier sangen und singen die Korporierten ihr Lied: Gaudeamus igitur - Lasst und also fröhlich sein.

Was aus dieser Seilschaft wurde, das wissen wir. Dr. Ursula Besser, noch immer der kritische Geist ihrer Partei, sieht noch einmal den Beitrag von 1986, in dem sie das System Diepgen rügt. Heute empfindet sie: "Es zeigt ganz bestimmte Grundverhaltensweisen, die ich da auch angesprochen habe. Die haben sich natürlich nicht geändert, und die haben über Jahre vielleicht sich sehr bewährt, mindestens also für die Betroffenen. Aber alles kommt mal an sein Ende, und dabei sind wir jetzt."

Das Ende eines einträgigen Systems. Wenn sie heute noch einmal die führenden Köpfe dieses Männerbundes betrachtet, muss Ursula Besser allerdings feststellen, dass Diepgen und Landowsky kein Einzelfall geblieben sind. Das System hat Schule gemacht.

"Das ist also ein bisschen unser heutiger Zeitgeist, der nur noch nach Mark und Pfennig geht, verstehen Sie, und nicht nach anderen, ideellen Werten", meint die heute 84 jährige. Ihr Misstrauen gegenüber Karrierepolitikern hat Ursula Besser nicht aufgegeben. Und sogar die damals Kritisierten wissen, wie richtig ihre Warnungen waren.

"Da kann ich den Herrn Diepgen zitieren. Als er mit da eine Rede halten musste, wollte, sollte, als ich achtzig Jahre wurde, da hat er öffentlich verkündet: Wenn wir damals alle auf Frau Besser gehört hätten, dann ginge es uns heute besser, aber nun müssen wir mit unseren Problem fertig werden."

So ist es wohl - die Weisheit einer alten Dame. Ausgerechnet in Berlin haben die CDU, aber auch die SPD seit 1990 munter so weiter gemacht, als hätte es die Wiedervereinigung gar nicht gegeben. Die alte Frontstadt-Politik wird jetzt - mit Verspätung - endlich abgewickelt.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 07.06.2001 | 21:00 Uhr

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