Das letzte Gefecht in Berlin - Wahlkämpfer Steffel und seine Helfer
Solidarität mit Amerika - die Berliner CDU scheint da etwas verschlafen zu haben. Denn während sich die ganze Welt vor Terroristen fürchtet, kämpft Frank Steffel, Spitzenkandidat der Union, im Wahlkampf noch immer gegen den alten Feind: die Kommunisten. Treu an seiner Seite ein einflussreicher Chefredakteur, der diesen längst vergangenen Kalten Krieg auch noch in seinen Medien aufheizt, als hätte Berlin keine anderen Probleme - die miserable Finanzlage etwa oder das zähe Zusammenwachsen von Ost und West. Der Kommunismus aber, der ist es nicht. Die Feinde der Freiheit sind heute andere. Das scheint aber zur CDU Berlin noch nicht vorgedrungen zu sein.
Der Name: Frank Steffel. Die Botschaft: Kampf dem Sozialismus. Die CDU schlägt ihre letzte Schlacht im Kalten Krieg.
Steffel: "Wir wollen nicht, dass Berlin eine sozialistische Stadt wird, und wir wollen nicht, dass Berlin nach Peking und Havanna die dritte große sozialistische Hauptstadt der Welt wird."
Ein sozialistisches Berlin - Horrorszenario auch für einen anderen Mann: Georg Grafron, eine Berliner Mediengröße mit einer einzigen Mission: Die Regierungsbeteiligung der PDS muss verhindert werden.
"Ich bin der Auffassung, dass, wenn hier in Berlin eine Partei sich anschickt, mit Hilfe einer anderen demokratischen Partei an die Macht zu kommen, eine Partei, die durch den Verfassungsschutz beobachtet wird und mit ihrer eigenen Geschichte nicht im Reinen ist, dann ist man als Demokrat aufgefordert, wenn man die Möglichkeiten hat, darauf hinzuweisen", so Gafron.
Möglichkeiten hat Georg Gafron mehr als genug. Er ist Chefredakteur der BZ aus dem Hause Springer. Sie ist Berlins größte Boulevardzeitung und hat weit mehr Leser als die Bildzeitung. Nebenbei ist Gafron auch noch Geschäftsführer des lokalen Fernsehsenders TV Berlin. Und noch ein Job: Geschäftsführer beim Radiosender Hundert,6. Von hier aus steuert der sogenannte Berlusconi von der Spree seine Propagandaschlacht. Damit auch die Mitarbeiter seines Radios wissen, wie sie zu berichten haben, hat Gafron Richtlinien für die Auswahl von Nachrichten erlassen.
Zitat: "Wo unser Haus steht, ist hinlänglich bekannt. Etwaige Unklarheiten beseitigt gerne die Chefredaktion."
Denn der Hausherr mag zwar rote Rosen, aber keine rote Republik - ganz im Sinne seines Seelenverwandten Frank Steffel.
"Ja, Gafron ist ein bedeutender Chefredakteur im Bereich Radio, Fernsehen und einer großen Zeitung hier in Berlin", sagt Steffel. "Und er ist genauso unabhängig in seiner Berichterstattung wie alle anderen Zeitungen."
Unabhängig wie sein "Danke EBI", nach Diepgens Sturz, an dem natürlich - "der Verrat hat immer einen Namen" - nur die SPD Schuld sei.
Ebenfalls ganz unabhängig vergab Gafron dem CDU-Mann Steffel jedes Fettnäpfchen, in das der seit seiner Nominierung getreten ist. Als beispielsweise Eier auf den Spitzenkandidaten flogen und er sich todesmutig hinter Edmund Stoiber versteckte, wurde das in der BZ zur lebensbedrohenden Gefahr: "Meine Frau hatte Angst um mein Leben." Auch das Werben mit seiner ach so glücklichen Ehe brachte Steffel keine Sympathiewerte. Inzwischen ist der ewige Strahlemann nach Umfragen der unbeliebteste Spitzenkandidat aller Parteien. In der BZ wird Frank Steffel jedoch immer noch gefeiert. Ein Kommentarzitat aus der letzten Woche: "Er ist ein funkelnder Diamant, der es ernst meint mit Berlin".
Gafron weiß, was er an Steffel hat, auch wenn der Diamant selbst da nicht richtig funkelt, wo er seinen jugendlichen Charme ausspielen kann - die Parolen des Kalten Krieges beherrscht Frank Steffel perfekt.
Steffel: "Wir haben die Feinde der Freiheit unmittelbar vor unserer Haustür erlebt, und wir dürfen die Feinde dieser Freiheit nie mehr und nirgendwo an die Macht kommen lassen, nie wieder."
Gafron spitzt es noch mehr zu: 40 Jahre DDR - Berlin darf nicht vergessen - eine Anzeige seines Senders Hundert,6. Andere Radiosender werben mit ihren Moderatoren oder einer Musikfarbe, der Berlusconi von der Spree jedoch nutzt die Werbung zur Verbreitung von politischer Propaganda und greift so aktiv in den Wahlkampf ein.
Radiospot Hundert,6: "Berlin darf nicht vergessen. 40 Jahre DDR, 960 Fluchttote, 250.000 politische Gefangene, 33.755 an den Westen verkaufte Häftlinge, 8.500 verrottete, umweltverseuchte VEB-Betriebe. Berlin darf nicht vergessen. Keine Macht den Tätern."
Die Kampagne, der neuste Coup eines größenwahnsinnigen Medienmannes, der offensichtlich eine ganz spezielle Auffassung von Journalismus hat.
Journalisten, die noch Fragen stellen, verachten ihren Berufskollegen. Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung meint: "Georg Gafron sagt, dass er Journalist ist, er ist seit mehr als zwanzig Jahren in dem Beruf, doch für mich ist er ein Berufsfremder. Er hat eigentlich mit dem, worauf es in diesem Beruf ankommt, nichts zu tun."
"Warum?"
"Ja, ein Journalist muss differenzieren können, ein Journalist muss Distanz haben. Er ist ein großer Phrasendrescher, jemand, der als Sturmschütze der deutschen Stammtische bekannt geworden ist und nicht als Journalist."
"Die Anwürfe, die kommen, die lenken mich doch nur ab, stehlen meine Zeit", hält Gafron gegen. "Ich weiß aber, dass, wer austeilt, auch einstecken muss, und das meiste ist substanzloses Geschreibsel. Insofern interessiert mich das nicht." Er hat nur ein Interesse: Kampf dem Sozialismus. Frank Steffel und Georg Gafron - zehn Tage bleiben ihnen noch, für ihre letzte Schlacht im Kalten Krieg.
