Sendedatum: 16.12.1999 21:00 Uhr

Kohl und der Panzerdeal

Anmoderation

PATRICIA SCHLESINGER:

Es schmerzt, wenn ein Denkmal vom Sockel gestoßen wird. Auch diejenigen, die den ehemaligen Bundeskanzler Helmut Kohl weder wählten noch mochten, respektierten den schwarzen Riesen. Seine schwarzen Kassen haben ihm selbst, seiner Partei und unserem Glauben an die ohnehin schon bescheiden gewordenen Tugenden in unserer Demokratie geschadet. Und auch wenn sich nie ganz und gar beweisen lassen wird, ob beim Panzerdeal mit Saudi-Arabien schwarzes Geld und Geschäft direkt miteinander zu tun hatten - das Gegenteil wird man auch nie ganz belegen können. Und da ja jedes Dementi bekanntlich schwächer ist als eine so naheliegende Vermutung, bleibt von Kohls bräsiger, rheinischer Redlichkeit, an die wir so gern glauben wollten, nur der fade Geschmack des Irrtums. Und der große Kassenwart hat eine ganz eigene Wahrnehmung der Abläufe rund um das Panzergeschäft.

Das belegen Mathis Feldhoff und Volker Steinhoff.

VIDEO: Kohl und der Panzerdeal (3 Min)

KOMMENTAR:

Das Streitobjekt: der schwimmfähige Fuchs-Panzer, auch in der Wüste heiß begehrt.

Die Streitfrage: Kaufte der Waffenhändler Schreiber vor fast zehn Jahren die deutsche Bundesregierung mit Millionenspenden, damit sie Panzerlieferungen nach Saudi-Arabien genehmigte? Völlig absurd, sagte der Altkanzler vor kurzem, als der Skandal hochkochte. Er sei schon immer für die Lieferung gewesen, niemand habe ihn geschmiert.

0-Ton

HELMUT KOHL:

(Ex-Bundeskanzler, 22.11.99)

"Das entscheidende Gespräch in dieser Sache war dann bei mir zu Hause am 17. September 1990. Und bei diesem Gespräch habe ich Jim Baker gesagt und damit der amerikanischen Regierung, dass ich die notwendige Unterstützung als Bundeskanzler zusage."

KOMMENTAR:

Das sagt der Ex-Kanzler heute. Aber seine Behauptung steht in klarem Widerspruch zu früheren Aussagen aus seinem Kanzleramt. Am 17. September will Kohl die Zusage für die Panzer gegeben haben, aber am 25. September notiert das Verteidigungsministerium: "Zusagen zu Waffenexporten an Saudi-Arabien seien vom Bundeskanzleramt nicht bestätigt worden". In anderen Worten: Das Kanzleramt widersprach ausdrücklich einer angeblichen Kanzlerzusage. Dennoch behauptet Kohl heute, die Panzerlieferung sei seit dem Treffen Mitte September immer schon beschlossene Sache gewesen.

0-Ton

HELMUT KOHL:

(22.11.99)

"Mir ist völlig unerfindlich, nachdem das für jeden Kenner - und das sind ja offensichtlich Leute, die sich um das Thema gekümmert haben - im Herbst 1990 diese Entscheidung gefallen war, und wer mich gefragt hätte, hätte es ja auch von mir hören können."

KOMMENTAR:

Einer hat gefragt, aber er hörte damals auch Wochen später noch das Gegenteil: Ein SPD-Abgeordneter stellte eine Anfrage an die Bundesregierung. Die schriftliche Antwort - seit dem Baker-Besuch war inzwischen über ein Monat vergangen - kam am 24. Oktober: Die Bundesregierung habe Saudi-Arabien bisher keine Zusagen in Bezug auf Kriegswaffen gegeben. Also: Wer damals Kohls Regierung fragte, bekam weiterhin das Gegenteil von dem zu hören, was Kohl heute behauptet.

Monate vergehen, die Regierung bleibt hart: Keine Fuchs-Panzer an Saudi-Arabien.

Erst ein knappes halbes Jahr später - so der Verdacht - kam der Umschwung. Der Waffenhändler Schreiber schickt einen Brief an den damaligen CDU-Schatzmeister Kiep. Gegen beide wird heute wegen Steuerhinterziehung ermittelt.

Schreiber bittet Kiep, den vertraulichen Brief "dem Herrn Bundeskanzler möglichst umgehend zur Kenntnis zu bringen". Schreiber beklagt in dem Brief vom 20. Februar den Widerstand Bonner Ministerien gegen die Panzerlieferung und bittet "ihm", also Kohl, "eine freundliche Empfehlung von mir auszurichten".

Genau eine Woche später wird die Panzerlieferung an die Saudis von der Bundesregierung genehmigt. Ein halbes Jahr später dann fährt CDU-Schatzmeister Kiep zum Waffenhändler Schreiber in die Schweiz. Und der übergibt ihm den Koffer mit dem bekannten Inhalt: 1 Million Mark.

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 16.12.1999 | 21:00 Uhr

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