Sendedatum: 05.02.1998 21:00 Uhr

Dritter SPD-Kanzlerkandidat

von Bericht: Rosi Dransfeld

Anmoderation:

PATRICIA SCHLESINGER

Einen ganzen Kerl wollen wir, gutsituiert, seriös, treu, unabhängig, phantasievoll, in jeder Situation Herr der Lage, so wünschen wir ihn uns. Dynamisch, erfolgreich und innovativ soll er sein, aber auch sensibel und mit Herz, nicht zu rechts und nicht zu links. Der Kanzlerkandidat der SPD hat hohe Anforderungen zu erfüllen, und wer hat da nicht schon mal gedacht, daß vielleicht keiner der beiden Bewerber, Schröder und Lafontaine, so ganz und gar der Richtige ist? Wir können ganz beruhigt sein, es gibt ihn, den dritten Mann, und der läßt keine Wünsche mehr offen.

VIDEO: Dritter SPD-Kanzlerkandidat (3 Min)

Rosi Dransfeld hat den Traummann besucht, den wahren Hoffnungsträger der SPD.

KOMMENTAR:

Aus der Tiefburg der Sozialdemokratie in Neuenkirchen am Brandt kommt die frohe Botschaft: Die SPD hat endlich einen Hoffnungsträger gefunden. Nahe an der Basis, unten rechts, wohnt Pfarrer Schneider, dritter Kanzlerkandidat der SPD. Gegen Bruder Ulrich haben Lafontaine und Schröder keine Chance.

0-Ton

ULRICH SCHNEIDER:

(SPD-Kanzlerkandidat)

"Ich habe vor, Kanzlerkandidat der SPD zu werden. Ich bin vorgeschlagen, ich stehe gleichberechtigt neben Lafontaine und Schröder, und der Parteitag ist das Gremium, das dann Mitte April in Leipzig darüber befindet. Ich denke, das, was ich bringe, ist neu und völlig neu und übertrifft all das, was Schröder oder Lafontaine bringen können. Und das führt die SPD zur absoluten Mehrheit."

KOMMENTAR:

Dieses ausgereifte Programm wird Helmut Kohl in die Knie zwingen. Ulrich Schneider ist gut gerüstet. Seine Kanzlerkandidatur paßt in eine Aktentasche. Bei ihm bekommt das Thema Sicherheit eine neue Dimension. Der jungdynamische Jungprediger hat schon viel erreicht. Die Stationen seiner Karriere kennt er noch ganz genau:

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ULRICH SCHNEIDER:

"Hier, an dieser Straßenecke, war der Beginn meiner politischen Karriere, im November 1979 bei der Verkehrsfreigabe. Da habe ich zum ersten Mal meine Idee einer Umsteuerung und das Konzept dazu der Öffentlichkeit vorgestellt. Und ein großer Zeitungsartikel war die Folge davon."

KOMMENTAR:

Acht mal elf Zentimeter im fränkischen Heimatblatt. Ulrich Schneider ist nun nicht mehr zu bremsen. Auf der Suche nach dem Wähler überzeugt er vor allem im Gasthaus Seku die Menschen an der Basis. Schröder und Lafontaine sind abgeschrieben, denn nur mit Schneider wird es in Deutschland blühende Landschaften geben.

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ULRICH SCHNEIDER:

"Also, hier hat mein Siegeszug begonnen, da habe ich gesessen und gestanden während meines Vortrags. Da stand der Overhead-Projektor, dort haben wir die Folien hingeworfen, auf denen ich meine Diagramme gezeigt hab'. Und da konnte ich allen Leuten hier erklären, wie das funktioniert mit diesem energiesteuerfinanzierten Grundeinkommen und daß das für alle eine Verbesserung ist. Und das haben hier im Raum alle kapiert. Es gab ein ganz intensives Gespräch, und mir war klar: Wenn das hier die Leute alle kapieren, dann werden es überall die Menschen kapieren."

KOMMENTAR:

"Ich hab's verstanden. Und was ist mit dir, du Idiot?"

"Wen meinst du, mich?"

Die politische Arbeit an der Basis ist eben Schneiders Stärke.

0-Ton

MANN:

"Ich wähl' den Schneider als Bundeskanzler."

KOMMENTAR:

Mit Parteibuch und Umsteuerungskonzept auf dem Gepäckträger hat sich Ulrich Schneider schon jetzt nach Leipzig aufgemacht. Und wenn er im April beim Parteitag ankommt, wird ein jeder wissen: Hier radelt unser neuer Bundeskanzler!

Dieses Thema im Programm:

Das Erste | Panorama | 05.02.1998 | 21:00 Uhr

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