Klonen von Menschen - Der Doppelgänger als lebendes Ersatzteillager
Anmoderation:
PATRICIA SCHLESINGER:
Die identische Vervielfältigung von Menschen ist in Deutschland noch verboten. Klone, Menschenklone, wird es hier also so schnell nicht geben. Wenn es denn ginge, wen hätten Sie denn gern verdoppelt, von wem hätten Sie gern eine Kopie? Tausend Deutsche wurden dazu von Emnid befragt. Ergebnis: Nicht John Lennon, Claudia Schiffer, Jesus oder Mutter Teresa sind die Favoriten. Zunächst einmal hatten natürlich viele sich selbst zum Klonen gern, dann wollte man Doubles vom deutschen Physiker und Nobelpreisträger Albert Einstein, vom britischen Physiker Stephan Hawking, vom Revolutionär Che Guevara und - erstaunlich - vom Bundeskanzler Helmut Kohl und von unserem Herrn der Schulden, Theo Waigel. Gibt es in unserer Hochleistungsgesellschaft überhaupt noch Grenzen, wenn schon nicht des Denkbaren, so doch des Machbaren? Oder sind wir schon so weit für gesunde, intelligente und wunderschöne Designerkinder, für menschliche Ersatzteillager, für Organe wie aus dem Kopierer?
Thomas Berbner und Jochen Graebert geben Einblick in die schöne neue Welt.
KOMMENTAR:
Eine Zukunftsvision. Geklonte Menschen sind weltweit Realität. Der Mensch hat den Zufall der natürlichen Fortpflanzung aufgehoben. Künstliche Zwillinge sind den normal gezeugten Menschen überlegen. Gesunde, leistungsstarke und schöne Menschen statt einer Vielfalt, die das Kranke und Unvorteilhafte mit einschließt. Wirklich nur eine Vision? Werden spätere Generationen einmal sagen, alles begann mit einem schottischen Schaf, Dolly, der ersten identischen Kopie aus der Zelle eines erwachsenen Tieres?
Letzte Zweifel an der Echtheit des Experiments sind noch nicht ausgeräumt, da spekulieren Firmen schon auf den Profit, den die Klontechnik verspricht, eine Technik, die es ermöglichen wird, Kinder von gesunden Vorbildern zu vervielfältigen.
Autobahn Genf-Lyon. Wir sind verabredet. Ein Kontaktmann führt uns zu einer neuen Firma: Clonaid. Die Firma Clonaid hat allen Grund, vorsichtig zu sein, denn sie bietet gegen Bares eine streng verbotene Dienstleistung an, das Klonen von Menschen.
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BRIGITTE BOISSELIER: (Übersetzung)
(Clonaid)
"Natürlich wird es bald möglich sein, Menschen zu klonen, und das Klonen von Menschen ist nichts Böses. Wenn Eltern ihr Kind verlieren, ein Kind von sechs Monaten, und sie wollen es zurück haben, sie wollen ihm ein zweites Leben geben, das ist gut."
KOMMENTAR:
Im Internet wirbt Clonaid um Kunden. Der Firmensitz liegt angeblich auf den Bahamas, und irgendwo auf der Welt, so hofft die Firma, wird man bald legal ein Klonlabor betreiben dürfen. 200.000 US-Dollar fordert Clonaid vom Kunden pro geborenem Klon.
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BRIGITTE BOISSELIER: (Übersetzung)
"Jeder träumt davon, länger zu leben. Wenn es einmal sogar möglich sein wird, ein zweites Leben zu führen, dann werden sich mit Sicherheit über die Hälfte der Menschen dafür entscheiden. Es ist einfach menschlich, das zu wollen. Wenn es gewünscht wird und wenn die Wissenschaft es möglich macht, natürlich wird es dann auch getan."
KOMMENTAR:
Mehr als hundert Kunden sollen sich bei Clonaid schon gemeldet und ihre Anzahlung auf die Klongebühr geleistet haben - und das, obwohl die Technik noch nicht einmal verfügbar ist.
Niemand müßte eine Firma wie Clonaid ernstnehmen, hätte es nicht Dolly gegeben. Die Erfindung des Klonens ist in der Welt, und weltweit werden hektisch Gesetze erlassen, um das Klonen von Menschen einzudämmen. An der Spitze der Klongegner steht Deutschland, Embryonenforschung wird hier mit Gefängnis bestraft.
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JÜRGEN RÜTTGERS:
(Bundesforschungsminister, CDU)
"Den geklonten Menschen wird es auf jeden Fall in Deutschland, aber ich bin fest überzeugt, auch weltweit nicht geben. Die augenblicklichen internationalen Debatten zeigen, daß die Weltgemeinschaft bereit ist, Grenzen zu ziehen, weil man doch spürt, daß da entscheidende Grenzen des Menschseins überschritten werden. Der gezüchtete Mensch ist eine furchtbare Vorstellung, und von daher gesehen bin ich sicher, daß das auch weiter von einer breiten Mehrheit in der Bevölkerung so gesehen wird."
KOMMENTAR:
Er sieht das ganz anders: Klaus Haefner, Genetiker, Physiker, Universitätsprofessor in Bremen. Der langjährige Berater der Bundesregierung hält den Forschungsminister für naiv. Eine Leistungsgesellschaft werde sich das Klonen von Menschen nicht verbieten lassen.
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PROF. DR. KLAUS HAEFNER:
(Universität Bremen)
"Die identische Kopie eines menschlichen Individuums in Form eines Klons erscheint heute sehr wahrscheinlich. Ich gehe vielleicht sogar davon aus, daß sie weltweit irgendwo schon passiert ist, ohne daß man das bekanntgegeben hat, weil es ja Interessen gibt, das zu tun. Und wir werden im nächsten Jahrtausend das als normales Standardangebot, zumindest in einigen Ländern der Welt, haben."
KOMMENTAR:
Die natürliche Zeugung birgt das Risiko von Erbschäden, das Klonen nicht. Der Ausstieg aus der natürlichen Fortpflanzung bietet eine verführerische Alternative.
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PROF. DR. KLAUS HAEFNER:
"Das ist das Interesse der Familien, Kinder zu zeugen bzw. Kinder zu haben, die gesund sind, die vielleicht mal intelligent werden, die vielleicht die Fähigkeit haben, reich zu werden. Das sind Wünsche, die Eltern normalerweise bei ihren Kindern haben. Und wenn beide Partner aufgrund der Ergebnisse der genetischen Analyse wissen, daß sie zumindest im Bereich der Gesundheit negative Faktoren in die genetische Lotterie, also die normale Zeugung, einbringen, dann werden sie darüber nachdenken, ob sie nicht die Alternative eines Klons wählen."
KOMMENTAR:
Beate Kloppenborg hat sich immer ein eigenes Kind gewünscht. Ihre Nieren und ihre Leber sind voller Zysten. Diese Krankheit hätte sie an ihre Kinder weitergegeben. Beate Kloppenborg hat zwei Pflegekinder erzogen. Wenn es möglich wäre, würde sie sich ein Kind klonen lassen.
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BEATE KLOPPENBORG:
"Da ich eine Erbkrankheit von meinem Vater leider bekommen habe, haben mir die Ärzte davon abgeraten, ein eigenes Kind auszutragen. Aber wenn ich gesunde Gene bekommen könnte von jemandem, der ein guter Mensch ist, der zudem noch vielleicht was geleistet hat im Leben, dann wäre das also wunderbar, durch Klonen zu einem Kind zu kommen - also mein Traum."
KOMMENTAR:
Wer träumt nicht von einem perfekten Kind: schön, intelligent, auf jeden Fall aber kerngesund.
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PROF. DR. KLAUS HAEFNER:
(Universität Bremen)
"Daraus entsteht ein massiver Druck auf die einzelne Familie, aber auch im Wettbewerb der Familien miteinander wird das zunehmend ein Problem werden, daß man sagt: Okay, ja, wir sind durch die genetische Lotterie gegangen, und leider haben wir ein behindertes Kind. Während die anderen sagen: Wozu bist du in die genetische Lotterie gegangen, da gibt's doch die Option des Klonierens, und wir haben natürlich ein gesundes Kind."
KOMMENTAR:
Der programmierbare Mensch, frei von Erbkrankheiten - ein Wunschtraum, der in der Vergangenheit schon mißbraucht wurde.
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JÜRGEN RÜTTGERS:
(Bundesforschungsminister, CDU)
"Es gibt irgendwo auch Gesetze, die deutlich machen, welches Menschenbild ein Staat hat, deutlich machen, was für ein Bild von einer menschlichen Gesellschaft eigentlich in einem Staat herrscht. Und gerade wir Deutschen wissen ja, daß der Satz "Wehret den Anfängen" ein ganz wichtiger Satz ist. Vieles von dem, was heute diskutiert wird, erinnert mich sehr an Tätigkeiten und Debatten in der Nazizeit."
KOMMENTAR:
Die Ethik des Forschungsministers hält man in der Deutschen Klinik für Fortpflanzungsmedizin in Bad Münder schlicht für überholt. Für Klinikchef Werner Gehring ist das Klonen von Menschen ein bahnbrechender Fortschritt.
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DR. WERNER G. GEHRING:
(Deutsche Klinik für Fortpflanzungsmedizin)
"1978 wurde Luise Braun geboren, das erste Retortenbaby. Jeder sprach von einer Horrorvision. Heute sprechen wir über Klonen, und Klonen ist für jedermann eine Horrorvision. In Wirklichkeit wird Klonen auch mal therapeutische Möglichkeiten für den Menschen bringen und genauso angenommen werden wie heute die Fortpflanzungsmedizin."
KOMMENTAR:
Für Gehring heiligt der Zweck die Mittel. Er will von Menschen einen Embryo klonen, als Sicherheitskopie, um sie bei Bedarf ausschlachten zu können.
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DR. WERNER G. GEHRING:
"Klonen gibt dem Menschen die Möglichkeit, eine identische Kopie zu schaffen, eine identische Kopie im Sinne eines Embryos. Dieser Embryo dient dann als individuelles Ersatzteillager. Zellen des Embryos würden Verwendung finden für den Menschen, der erkrankt ist, der zum Beispiel durch eine Chemotherapie behandelt wurde, Blut, Stammzellen sind abgestorben. Er bekäme jetzt als Transplantat gewissermaßen seine eigenen Blutzellen, die dann auch angehen würden, das heißt, das Transplantat würde nicht abgestoßen werden. Der Patient wäre zu heilen. Klonen wird zu einer Heilmethode werden."
KOMMENTAR:
Geklonte Embryonen als Ersatzteillager. Gehring glaubt, daß viele Ärzte denken wie er, aber nicht wagen, es auszusprechen.
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DR. WERNER G. GEHRING:
"Zur Produktion dieses Embryos wäre im Regelfall eine Leihmutterschaft notwendig, da es derzeit keine künstlichen Gebärmüttersysteme gibt, was möglicherweise perspektivisch auch möglich sein wird. So, und wenn dann der Embryo eine entsprechende Entwicklung durchgemacht hat, müßte ein Schwangerschaftsabbruch erfolgen, und dann würde das Zellmaterial aus dem Embryo Verwertung finden."
KOMMENTAR:
Leben züchten, um es zu vernichten. Genforscher, die die Bundesregierung beraten, sind entsetzt.
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PROF. DR. PETER STADLER:
(Biotechnologe, Bayer AG)
"Für mich eine totale Negierung des Menschenbildes, eine Zerstörung der durch die Ethik vorgegebenen Regeln, Grenzen und Mauern. Ein solches Verhalten, ein solches Vorgehen würde meiner Meinung nach noch über die verbrecherischen medizinischen Experimente der Naziärzte in den KZ's hinausgehen, und die waren schon absolut grauenhaft genug. Also ganz kategorisch: auf keinen Fall, zu keiner Zeit und nirgendwo auf der Welt."
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Dr. WERNER G. GEHRING:
"Da kann ich nur eins sagen: 150.000 Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland, sind die mit der Menschenwürde vereinbar? Wenn wir heute den Klon als Ersatzteillager sehen, als individuelles Ersatzteillager, dann sehen wir ihn ja als eine Möglichkeit, Menschen zu helfen, zu heilen. Und das ist meines Erachtens mit der Würde des Menschen vereinbar."
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PROF. DR. PETER STADLER
"Gerade in diesem speziellen Fall würde man eine Tür öffnen, die zu dammbruchartigen Entwicklungen führen kann, denn es ist ja überhaupt nicht einzusehen, daß, wenn man den Schritt geht, Embryonen für eine derartige verwerfliche Nutzung freizugeben, dann nicht auch Babys oder junge Menschen oder Menschen überhaupt freizugeben, ethisch oder moralisch gesehen besteht da ja gar kein Unterschied darin."
KOMMENTAR:
Vor fünf Jahren erhielt Manfred Detering eine schreckliche Diagnose: Magenkrebs. Seine einzige Rettung: der Magen mußte komplett entfernt werden. Als Ersatz wurde ihm eine Schweinsblase eingesetzt. Einen Spendermagen findet er nicht, seine Blutgruppe ist extrem selten.
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MANFRED DETERING:
"Durch ein Klon ist es eben halt möglich, einen neuen Magen aus meinen eigenen Genen zu züchten, ohne daß der abgestoßen wird."
INTERVIEWER:
"Dann müßte der Klon ja aber dann sterben, was denken Sie darüber?"
MANFRED DETERING:
"Der Klon, ja, natürlich muß der Klon sterben. Also er wird ja nicht geboren, er wird ja vorher abgetrieben, bevor dann die Organe rausgenommen werden. Für mich gibt's natürlich eine Grenze, eine ethische Grenze, und die wäre, er dürfte nicht geboren werden. Und vor der Geburt eben halt ist alles möglich."
KOMMENTAR:
Schwerkranke Menschen hoffen immer auf neue Behandlungsmethoden. Ihr Wunsch nach Heilung ist verständlich, läßt sich aber leicht als Argument verwenden.
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DR. WERNER G. GEHRING:
(Dt. Klinik für Fortpflanzungsmedizin)
"Gehen Sie mal in Deutschland auf eine onkologische Station, da sind Krebspatienten, die möglicherweise von dieser Methode profitieren würden, fragen Sie jemanden dort. Sie können sicher sein, er wird sagen: Wenn ihr mir helfen könnt mit Klonen, dann, bitte, macht es."
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INTERVIEWER:
"Und was würden Sie auf einer Krebsstation Krebskranken sagen, deren letzte Hoffnung es sein könnte, den eigenen Klon als Spender zu nutzen, auch wenn er dabei stirbt?"
JÜRGEN RÜTTGERS:
(Bundesforschungsminister, CDU)
"Ich würde versuchen, ihm beim Sterben zu helfen und ihm auch sehr deutlich zu sagen, daß da eine Grenze ist, die auch zur Rettung seines eigenen Lebens nicht überschritten werden darf."
KOMMENTAR:
Der Mensch als Ersatzteillager - bisher war das nur in Science-Fiction-Streifen vorstellbar wie hier, in dem amerikanischen Spielfilm "Coma". Seit Dolly hoffen Mediziner und Geschäftemacher, die Utopie wird Realität.