Kaputter Fernseher: Afrika statt Recycling
Die Berichterstattung von Panorama zum Export alter Fernsehgerätehat offenbar zu einem Umdenken bei der Stadt Neumünster geführt. Künftig werde man die Bürger "noch besser und ausführlicher auf unserer Internetseite informieren, was wir eigentlich machen", sagte Ingo Kühl, Betriebsleiter des Technischen Betriebszentrums Neumünster, das für die städtischen Recyclinghöfe zuständig ist, gegenüber dem NDR. "Damit sich der Bürger nach wie vor sicher sein kann: Was ich in Neumünster abgebe, geht auch den richtigen Weg." Und der kann, anders als bislang im Internet dargestellt, auch in Afrika enden, räumte Kühl ein.
Von Neumünster nach Nigeria
Bislang teilten die Stadtwerke Neumünster auf ihrer Website dem Bürger lediglich mit: "Die am Recyclinghof des SWN-Wertstoffzentrums angenommenen Elektroaltgeräte (…) werden von den dafür zugelassenen Unternehmen fachgerecht recycelt. Dabei werden die Rohstoffe, in erster Linie Edelmetalle und bestimmte Kunststoffe, wiederverwertet und die Schadstoffe umweltgerecht abgetrennt und entsorgt." Von einem Export alter Geräte war dort keine Rede. Gegenüber dem NDR räumte Kühl nun ein: "Alles, was defekt ist, wird in Neumünster korrekt verwertet, und nur funktionstüchtige Geräte - und die machen nur einen sehr kleinen Teil des E-Schrotts aus - werden exportiert und dürfen auch exportiert werden."
Der Hintergrund: Panorama-Reporter hatten GPS-Peilsender in alten Fernsehgeräten verbaut, sie funktionsunfähig gemacht, diese auf verschiedenen Wegen entsorgt und verfolgt, welchen Weg sie dann gingen. Einen so präparierten Fernseher gaben sie auf dem Recyclinghof der Stadt Neumünster ab. Zuvor durchtrennten sie, wie berichtet, das Stromkabel. Für die offiziellen Stellen, die sich im Hamburger Hafen bemühen, illegale Elektroschrott-Exporte zu verhindern - Wasserschutzpolizei, Zoll und die Umweltbehörde Hamburg (BSU) - begründet ein abgeschnittenes Kabel den Verdacht, es handle sich um gefährlichen Elektroschrott, dessen Ausfuhr in afrikanische Staaten verboten ist. "Abgeschnittene Kabel sind Erst- und Anfangsverdacht, dass irgendwas nicht in Ordnung ist und das heißt für uns: Stopp!", sagte BSU-Sprecher Volker Dumann gegenüber Panorama.
Falsche Unterstellung
Der mit abgeschnittenem Kabel auf dem Recyclinghof Neumünster abgegebene Fernseher reiste über mehrere Stationen bis nach Nigeria. Mit dem Weg des Testfernsehers nach Afrika konfrontiert, beruft sich die Stadt Neumünster auf die Aussage des von ihr beauftragten Entsorgungsfachbetriebs Behrendt Recycling, man habe den kaputten GPS-Fernseher vor dem Export repariert. Dieser unterstreicht nun auch in einer öffentlichen Stellungnahme, der Fernseher sei repariert worden und somit legal nach Afrika verschifft worden. Eine Behauptung, die weder Panorama noch die ZEIT noch dasRechercheteam Follow the Money in den Veröffentlichungen zur Recherche angezweifelt haben. Insofern entbehrt der in der Stellungnahme erhobene Vorwurf jeder Grundlage, der Familienbetrieb sei in der Berichterstattung „mit illegalen E-Schrott-Exporten nach Afrika in Verbindung“ gebracht worden. Die Unterstellung, es seien "wilde und rufschädigende Vermutungen" berichtet worden, ist faktisch falsch.
Fakt ist: Wann der Fernseher repariert wurde, lässt sich, nachdem der Entsorger Behrendt entschieden hatte, ihn eilig mit dem Flugzeug zurück nach Deutschland zu bringen, nicht bestimmen. Dass dieser Fernseher, der bei Abgabe auf dem Recyclinghof Neumünster nicht funktionsfähig war, an einen Exporteur weiter verkauft wurde statt fachgerecht zerlegt zu werden, ist indes unstrittig. Ebenso die Tatsache, dass dieser Verwertungsweg dem Verbraucher nicht transparent dargestellt wurde.
Der Entsorgungsfachbetrieb Behrendt verteidigt den Verkauf alter Geräte zum Zwecke des Exports in seiner Stellungnahme: "Rein ökologisch ist es durchaus sinnvoll, getestete und funktionsfähige Geräte nach Afrika zu exportieren, da sie durch ihre lange Lebensdauer dafür sorgen, dass weniger E-Schrott vor Ort anfällt", heißt es dort.
"Es gibt in Afrika keine Recyclingstrukturen wie in Europa"
Das sehen Elektroschrott-Experten vor Ort indes anders. So sagt Mike Anane, Laureat des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, der sich seit Jahren mit dem Import von vermeintlich gebrauchsfähigen Geräten nach Afrika beschäftigt: "80 Prozent sind einfach nur Schrott. Und selbst wenn die anderen 20 Prozent noch für eine kurze Zeit funktionieren, landen sie am Ende an Orten wie Agbogbloshie. Denn es gibt in Afrika keine Recyclingstrukturen wie in Europa." Agbogbloshie ist die größte Elektroschrott-Halde in Afrika und Lebensraum für rund 40.000 Menschen. Ein Ort, der mit giftigen Stoffen wie Blei, Kadmium und Quecksilber so sehr verseucht ist, dass Umweltexperten des Blacksmith Institute ihn in einem Atemzug mit Tschernobyl nennen.
Beginn einer öffentlichen Diskussion?
Dass die Berichterstattung nun zu einer öffentlichen Diskussion darüber führt, unter welchen Bedingungen Exporte von Second-Hand-Geräten nach Afrika sinnvoll sein könnten, begrüßen die Autoren ausdrücklich. Sollten die Veröffentlichungen dazu beitragen, dass der Verbraucher transparent mitgeteilt bekommt, wo seine alten Geräte landen können und was sie dort am Ende ihrer Restlaufzeit verursachen, ist viel erreicht. Denn das Wort Afrika las man im Zusammenhang mit alten Elektrogeräten bislang weder auf den Internetseiten der Stadtwerke Neumünster noch auf derjenigen des Entsorgungsfachbetriebs Behrendt. Dort wird unter der Überschrift "I love Schrott" noch jetzt mitgeteilt, man lebe Recycling seit Jahren "aus voller Überzeugung". "Wir können nicht nur fast alles verwerten, sondern finden den besten und saubersten Weg." Ob dieser wirklich nach Afrika führt, wo es kein fachgerechtes Recycling gibt, sei dahin gestellt.