Wirtschaft, Menschenrechte und die Rolle der Bundesregierung
Bei einer Geschäftsbeziehung wie der zwischen dem Chemiekonzern BASF und dem Platinlieferanten Lonmin geht es aus Sicht des Konzerns um "das Management der Lieferkette". Die Lieferkette international agierender Unternehmen hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch menschenrechtliche und soziale Aspekte. Das ist bei den Vereinten Nationen Konsens. Deshalb hat die Weltorganisation im Jahre 2011 "die Leitprinzipien Wirtschaft und Menschenrechte" verabschiedet. Das heißt: nicht nur Staaten und Regierungen, sondern auch Unternehmen können Menschenrechte verletzen. Und: international agierende Unternehmen haben auch eine Verantwortung dafür, dass ihre Zulieferer sich an die Menschenrechte halten.
BASF lehnt Entschädigung der Opfer des "Massakers von Marikana" ab
BASF sagt, dass die UN-Leitprinzipien Richtschnur für das Unternehmen sind. Deshalb räumen die Ludwigshafener auch ein, dass sie "einen Bezug zu" den Menschenrechtsverletzungen bei der Platinmine von Marikana in Südafrika haben. BASF sieht sich in der "Pflicht", dem Zulieferer Lonmin zu "helfen, besser zu werden". Unternehmen wie BASF möchten sich allerdings gern "freiwillig" zu solcher "Hilfe" entscheiden. Sie möchten nicht von der Regierung des Heimatstaates, also in dem Fall der deutschen Bundesregierung, dazu verbindlich verpflichtet werden. Schon gar nicht möchte die deutsche Industrie, dass Personen, die von Zulieferern geschädigt wurden, in Deutschland auf Schadensersatz klagen können. Das würde zum Beispiel bedeuten, dass Verletzte und Hinterbliebene des Marikana-Massakers BASF verklagen könnten. Der Chemiekonzern lehnt jedoch eine Entschädigung der Opfer ab.
Wirtschaftsverbände versuchen scharfe Auflage zu vermeiden
Um solche Fragen geht es bei dem "Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte", den die Bundesregierung in diesem Jahr verabschieden will. Das muss sie, weil Deutschland die UN-Leitprinzipien angenommen hat. In Berlin laufen die Verhandlungen unter Federführung des Auswärtigen Amtes. Vier weitere Ministerien, vor allem das Wirtschaftsministerium, sind beteiligt. In dem Verhandlungsprozess sind auch NGOs und Experten für Menschenrechte angehört worden. Nach Informationen von Panorama üben Wirtschaftsverbände, die an den Verhandlungen auch beteiligt sind, erheblichen Druck auf die Bundesregierung aus, den Unternehmen keine zu scharfen Auflagen zu machen. Dass die Bundesregierung geneigt ist, diesem Druck nachzugeben, konnte man bei einer Podiumsdiskussion vor wenigen Tagen in Berlin beobachten. Dort diskutierte neben dem BASF-Beauftragten für Soziale Unternehmensverantwortung und Vertretern der Zivilgesellschaft auch ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes. Der Beamte warnte vor zu harten Auflagen für die deutsche Industrie, auch wenn Menschenrechte natürlich ein wichtiges Thema seien. Aber wenn die Regeln zu verbindlich würden, dann hätte die deutsche Industrie zu viele Nachteile gegenüber der Konkurrenz aus Fernost. "Dann kommen die Chinesen und nehmen uns die Märkte weg", sagte der Mann aus dem Auswärtigen Amt.
BASF hat sich mit anderen Chemieunternehmen in der freiwilligen Initiative "Together for Sustainability" ("zusammen für Nachhaltigkeit") zusammengeschlossen. Außerdem hat das Unternehmen einen Verhaltenskodex für Lieferanten.
Zu Marikana hat BASF, offenbar auch mit Hinblick auf die Medienberichterstattung und auf die Aktionärsversammlung am 29. April, ein Statement veröffentlicht.
Lonmin verletzt BASF Verhaltenskodex
Kritiker merken an, dass Unternehmen mit solchen Bekenntnissen und Initiativen eine neue virtuelle Realität schaffen, die den Eindruck erweckt: wir kümmern uns. Diese virtuelle Realität der "Corporate Social Responsability" kann von der Realität vor Ort manchmal ziemlich weit entfernt sein. So zahlt etwa Lonmin keine Mindestlöhne, hat das Recht auf Kollektivverhandlungen verletzt und zu hohe Schadstoffemissionen - und verletzt damit den Verhaltenskodex, den BASF für Lieferanten aufgeschrieben hat.