Verkehrte Welt in Limbach-Oberfrohna
Schon seit Jahren terrorisieren Neonazis in der sächsischen Kleinstadt Limbach-Oberfrohna Andersdenkende: Von Einschüchterung und Nötigung über Sachbeschädigung und Brandstiftung bis hin zur Körperverletzung ist alles dabei. Auch Panorama hatte schon im Februar 2011 darüber berichtet.
Immer wieder neue Fälle von Gewalt
Kürzlich zeigte nun das MDR-Magazin "Exakt" einen Beitrag über einen Schüler, der von zwei Schulen in Limbach-Oberfrohna gemobbt wurde, weil er als "Linker" bekannt war - was in der örtlichen rechten Jugendkultur bedeutet, dass er es wagte, T-Shirts gegen Rechtsextremismus zu tragen. Nachdem der Schüler immer wieder angegriffen und verletzt wird, kommt es schließlich sogar zu einer Morddrohung. Obwohl der Täter verurteilt wird, ist das Opfer am Ende so verängstigt, dass es sich nicht mehr an seine Schule traut und wegen der erlittenen Gewalt psychologisch betreut werden muss.
Die Mutter des Jungen bekommt zu hören, ihr Sohn solle "seine Meinung nicht äußern" und "neutrale Kleidung tragen", um die rechten Schläger nicht zu provozieren. Eine verkehrte Welt, meint auch Dr. Harald Lamprecht von der sächsischen Landeskirche: "Es ist doch eine völlige Umkehrung von Täter und Opfer. Das liegt doch auf derselben Ebene, als wenn man einer vergewaltigten Frau sagt, sie habe doch eine Mitschuld, weil sie einen kurzen Rock getragen habe."
Medienkritik statt Konsequenz gegen Neonazis
Aber für die Funktionsträger der Stadt sind auch in diesem Fall mal wieder vor allem die Medien Schuld: Nach dem MDR-Bericht beschweren sich die betroffenen Schulen in offenen Briefen nun über eine angeblich "bewusst politisierte" Berichterstattung, eine "verknappte Darstellung" und "Übertreibung". Diese Briefe wurden unter anderem im Amtsblatt der Stadt veröffentlicht. Anstatt wenigstens jetzt endlich konsequent gegen die Neonazis vorzugehen, wird wortreich lamentiert, man sei "praktisch im Handstreich […] zu einer vermeintlichen Brutstätte des politischen Extremismus und der Nichtbeachtung von Persönlichkeitsrechten" gemacht worden.
Die Probleme des Schülers seien "vielschichtig" gewesen, was wohl heißen soll, in Wirklichkeit habe das Verhalten der Täter gar nichts damit zu tun, dass sie zufällig Nazis sind und ihr Opfer zufällig T-Shirts gegen Rechtsextremismus trug. Komisch nur, dass die rechtsradikalen Gewalttäter von Anfang an im Internet mit den Worten "die Zecke wird nicht lange auf die Schule gehen" hetzten - ohne Konsequenzen, jedenfalls nicht für die Urheber. Stattdessen konnten sie exakt dieses Vorhaben offenbar auch durchsetzen.
"Keine Empathie mit dem Opfer"
Der Chemnitzer "Freien Presse" sagte eine der betroffenen Schulleiterinnen, sie sei "verknappt dargestellt" worden. Es habe "zahlreiche Gespräche mit der Klasse, einzelnen Schülern und deren Eltern" gegeben, aber der Schüler habe "auch Hilfe von anderen Mitschülern abgelehnt". Zwar gebe es "rechtsorientierte Schüler an ihrer Schule", aber der MDR-Beitrag sei "bewusst politisiert" worden. Außerdem liefen an ihrer Schule "zahlreiche Projekte gegen Extremismus".
Der "Exakt"-Redakteur Christian Werner sagte derselben Zeitung hingegen, er sei von der Reaktion der Schulen überrascht: "In beiden Briefen fehlt jede Empathie mit dem betroffenen Schüler sowie eine entsprechende Empörung über das offensichtlich rechtsextreme Gedankengut einiger Schüler." Was ein Grund dafür sein könnte, dass die Nazis in und außerhalb der Schulen weiterhin bandenmäßig andere Menschen terrorisieren, während sich Stadt und Schulleitung in wohlfeiler Medienkritik üben. Das Problem sind offenbar nicht die Nazis, sondern "linke" Schüler und die bösen Medien - nichts Neues in der verkehrten Welt von Limbach-Oberfrohna.