Stand: 19.11.2015 17:59 Uhr

Naidoo: Das falsche Signal

von Patrick Gensing
Xavier Naidoo auf der Waldbühne in Berlin am 27.07.2014 © picture alliance/POP-EYE Foto: POP-EYE/Kriemann
Macht mit nebulösen Verschwörungstheorien und völkischem Heroismus von sich reden: Xavier Naidoo.

Die Kritik an Naidoos politischen Botschaften ist alles andere als neu. Der bekannte Musikjournalist Martin Büsser stellte bereits im Jahr 2002 in einer Kritik an Naidoos damals neuester CD fest: "Wäre diese Musik nicht mit Rap und Soul unterlegt, sondern mit donnerndem Marsch-Metal à la Joachim 'Bayreuth' Witt, hätten die Feuilletons längst mit Fug und Recht warnend die 'Rechtsrock'-Bremse gezogen." Ein scharfes Urteil, doch Naidoos Texte und Äußerungen sorgten auch in den folgenden Jahren für reichlich Kritik.

Beispielsweise 2011, als Naidoo in der ARD behauptete, Deutschland sei nicht souverän - und so als singende Speerspitze der Ideen der "Reichsbürger" fungierte: "Aber nein, wir sind nicht frei, wir sind immer noch ein besetztes Land! Deutschland hat noch keinen Friedensvertrag und ist dementsprechend auch kein echtes Land und nicht frei."

Offenbar hält Naidoo den 8. Mai nicht für einen Tag der Befreiung, wie anders ließen sich solche Aussagen interpretieren? Im Oktober 2014 trat er in Berlin dann sogar bei einer Kundgebung aus dem Milieu der Reichsbürger auf. Anschließend verteidigte er dies mit der Behauptung, er habe sich dort informieren wollen. Im Interview des Südwestrundfunks (SWR) sagte er: "Ich möchte auf Menschen zugehen. Auch zu "Reichsbürgern". Auch auf die NPD. Das ist mir alles Wurst."

Offene Gewaltfantasien

Hinzu kommen fragwürdige Textzeilen von Naidoo. Im November 2012 reagierte Naidoo auf Kritik an dem Lied "Wo sind die jetzt?", den er gemeinsam mit Kool Savas veröffentlicht hatte. Darin heißt es:

Ich schneid euch jetzt mal die Arme und die Beine ab, und dann ficke ich euch in den Arsch, so wie ihr es mit den Kleinen macht. Ich bin nur traurig und nicht wütend. Trotzdem würde ich euch töten. Ihr tötet Kinder und Föten und ich zerquetsch euch die Klöten. Ihr habt einfach keine Größe und eure kleinen Schwänze nicht im Griff. Warum liebst du keine Möse, weil jeder Mensch doch aus einer ist? Wo sind unsere Helfer, unsere starken Männer, wo sind unsere Führer, wo sind sie jetzt?

Offene Gewaltfantasien, sexistische Begriffe und offenkundige Schwulenfeindlichkeit ("warum liebt ihr keine Mösen?") gepaart mit dem Ruf nach starken Männern und Führern:  Naidoo erklärte, dies sei alles nicht so gemeint gewesen. "Es sei ihm lediglich darum gegangen, die Aufmerksamkeit auf schreckliche Verbrechen zu lenken, die viel zu wenig beachtet würden."

Völkischer Heroismus und Verschwörungstheorien

Naidoo wurde im November 2012 in der "Zeit" von Marcus Staiger, dem einstigen Plattenchef von Royal Bunker und ehemaligen Chefredakteur von Rap.de, als christlicher Fundamentalist bezeichnet. Das gesamte Werk von Naidoo durchziehe die Huldigung "einer gewissen Highlander-Romantik, einem völkischen Heroismus, in dem unentwegt einer aufsteht, einer sich erhebt, eine messianische Lichtgestalt, der Eine, der von der Vorsehung Auserwählte, der die Massen mitreißt und in die Schlacht führt und am Ende das Dunkle vernichtet".

Auch Verschwörungstheorien zu den Anschlägen vom 11. September 2001 hat Naidoo im Angebot: Im "Stern" sagte erim März 2015, er glaube nicht, dass die Ereignisse so abgelaufen seien, "wie es in den Medien und von der Politik dargestellt wurde. Die Achillesferse des Anschlags ist doch das 47-stöckige Bürogebäude neben den Türmen gewesen, genauer gesagt: Gebäude Nummer 7. Dieses Gebäude ist Stunden später eingestürzt. Das sah aus wie bei einer kontrollierten Sprengung. Daran gibt es nichts zu deuten."

In einem Interview zu seiner jetzigen Nominierung gibt Naidoo sich zurückhaltend, gegen Ende des Zusammenschnitts geht es dann aber auch um Politik: In einer globalisierten Welt würden viele Entscheidungen außerhalb von Deutschland entschieden, sagt Naidoo. Das müsse man im Auge haben. Ausdrücklich betonte der Sänger, er lehne diesen Staat nicht ab.

Nicht in meinem Namen

Xavier Naidoo bei einem Protest in Berlin. Er trägt ein T-Shirt mit der Aufschrift Freiheit für Deutschland. © picture alliance / AA Foto: Cuneyt Karadag
"Freiheit für Deutschland": Xavier Naidoo bei einem Auftritt vor Verschwörungstheoretikern 2014.

Bereits vor einem halben Jahr stand die Nominierung von Naidoo für den ESC zur Debatte. Die Reaktionen waren - wenig überraschend - überwiegend ablehnend. Naidoo betont nun, er wolle ein weltoffenes, freies, demokratisches Deutschland repräsentieren. Ich fühle mich auf jeden Fall nicht von jemandem repräsentiert, der Gewaltfantasien und Verschwörungstheorien verbreitet und dem es nach eigener Darstellung "Wurst" ist, ob er auf Reichsbürgern zugehe.  

Besonders ärgerlich an dieser Entscheidung: Der ESC hat sich in den vergangenen Jahren zu einem progressiven Ereignis entwickelt, das sich vor allem in der Schwulenszene größter Beliebt erfreut. Es ist schlicht ein falsches Signal, dass Deutschland nun einen Kandidaten ins Rennen schickt, dessen fragwürdige Positionen zu massiven Protesten gegen den ESC führen. Gespannt darf man aber sein, ob Naidoo bei seinem Auftritt in Stockholm wieder sein nationalistisches "Freiheit für Deutschland"-Shirt tragen wird. Die europäische Öffentlichkeit dürfte dies interessiert zur Kenntnis nehmen.

 

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

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