Stand: 07.01.2016 10:00 Uhr

Kölner Silvester-Übergriffe: Aufklärung bitte!

von Anja Reschke
Ein Streifenwagen der Polizei fährt in Köln am Hauptbahnhof vorbei. © dpa bildfunk Foto: Oliver Berg
Tatort Kölner Hauptbahnhof.

Um eines klarzustellen: Sexuelle Übergriffe gegen Frauen sind unerträglich. Immer, überall und egal von wem sie begangen werden. Sie sind herabwürdigend und demütigend. Die meisten Frauen werden wissen, wovon ich spreche, weil die meisten Frauen sowas schon mal erlebt haben. Dass einem in einer Menschenmenge plötzlich zwischen die Beine gegriffen, an den Busen gegrabscht wird, und dann schaut man sich um, und weiß nicht, wer es war. Das ist ein furchtbares Gefühl. Aber es passiert immer und immer wieder. So jetzt auch in der Silvesternacht, in einer Menschenmenge vor dem Kölner Hauptbahnhof.

Das Außergewöhnliche daran ist, dass es eben nicht einer Frau passiert ist, was schon schlimm genug wäre, sondern vielen. Und die Übergriffe waren massiv. Das, was viele Augenzeugen berichten, ist schrecklich. Das alles macht es zu einem besonderen Phänomen, dem jetzt auch zu Recht ordentlich Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Wer waren die Täter?

Das Brisante daran ist, dass es - so wie es sich derzeit darstellt - Männer waren, die nicht aus Deutschland stammen. Nordafrikanisch oder arabisch aussehende Männer, heißt es. Waren das Flüchtlinge? Zugezogene? Menschen, die vielleicht schon in zweiter oder dritter  Generation hier leben? All das wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Brisant ist es deshalb, weil kein anderer Stoff so geeignet  ist, politisch und ideologisch so ausgeschlachtet zu werden, wie das Thema Ausländer gepaart mit dem Thema Sexualität.

"Es gibt kein signifikantes Beispiel dafür, dass ausländische Männer mehr vergewaltigen, als inländische", habe ich im Spätsommer öffentlich gesagt. Dieser Satz war nicht erfunden, nicht ideologisch gefärbt, nicht von der Regierung oder dem Sender vorgegeben, sondern dieser Satz beruhte auf Fakten, die wir bei Panorama recherchiert hatten und auf Aussagen der deutschen Kriminalpolizei. Natürlich kriege ich diesen Satz jetzt hämisch um die Ohren gehauen, von allen möglichen Seiten. "Was sagen Sie jetzt", Frau Reschke?"  heißt es. Wenn es freundlich formuliert ist...

Hintergrund
Ein Polizeiwagen fährt eine Straße entlang. © picture alliance/dpa/Marius Becker Foto: Marius Becker

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Kein Schutz für Frauen

Tja, was soll ich jetzt sagen? Ich bin wütend auf diese Nordafrikaner oder Araber, die mutmaßlich die Grabscher waren. Wütend, weil sie junge Mädchen und Frauen, die einfach fröhlich Silvester feiern wollten, befummelt, bedroht und ihnen Angst gemacht haben. Und ich bin wütend, weil sie allen Flüchtlingen, die einfach nur gekommen sind, um hier Schutz zu suchen eine Bärendienst erwiesen haben. Auch ihr eigener Stellenwert in der Gesellschaft wird dadurch kaum steigen.

Denn was passiert jetzt? Die AfD, Pegida und  all diejenigen, die ohnehin keine Flüchtlinge hier haben wollen, klatschen in die Hände. Endlich, endlich der Beweis, dass der ausländische Mann hier nichts zu suchen hat, weil er ja nur an die Wäsche der weißen Frau will. "Massenvergewaltigungen in Köln, Hamburg, Stuttgart", schreibt etwa die AfD Bayern. "Wer schützt unsere Frauen? Die AfD." Ach ja? Niemand hat "unsere" Frauen geschützt, nicht die Kölner Polizei, aber auch nicht die AfD.

Was beweist die Horror-Nacht von Köln?

"Massenvergewaltigung" hat es im Übrigen nicht gegeben. Bei 15 von bislang 90 Anzeigen* geht es um Sexualdelikte, eine davon erfüllt laut Polizei den Tatbestand der Vergewaltigung. Der Rest sind Eigentumsdelikte. Doch auch ohne AfD-Propaganda sind sie massenhaften Übergriffe scheußlich. Aber Köln ist nicht der Beleg dafür, dass DER Ausländer mehr vergewaltigt.

Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker © dpa - Bildfunk Foto: Oliver Berg
Bislang hilflose Reaktionen: Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker (li.) und Polizeipräsident Wolfgang Albers.

Aber Köln ist ein Beleg dafür, dass es massive Schwierigkeiten in der Integration gibt. Köln ist ein Beleg dafür, dass einige sich lieber in Kriminalität als in rechtschaffenes Verhalten flüchten. Köln ist der Beleg dafür, dass man als Frau in Massenaufläufen nicht geschützt ist. Dass Köln für den kommenden Karneval jetzt nichts besseres einfällt, als Frauen Verhaltensregeln für Massenveranstaltungen mit auf den Weg zu geben ist ein Armutszeugnis. Wo sind wir denn bitte?

Genaue Aufklärung der Hintergründe

Es gibt Dutzende Fragen, die sich jetzt stellen. Wenn es solche Probleme in Köln schon länger gibt, warum wird nichts dagegen unternommen? Haben sich die Täter verabredet für diesen Abend, also organisierte Kriminalität? Warum hat die Polizei an diesem Abend  nichts gemerkt? Warum wurde das Thema polizeilich in den ersten Tagen eher klein gehalten? All das sollte so genau wie möglich untersucht werden.

Wenn es Tätergruppen in Köln, Hamburg, Stuttgart gibt, die seit Jahren den sogenannten "Antanz-Trick" anwenden, nämlich ihre Opfer - Frauen wie Männer - zu bedrängen, um ihnen währenddessen unbemerkt das Handy oder Portemonnaie aus der Tasche zu ziehen, dann ist es die Aufgabe der Polizei, solche Täter zu finden, und die Aufgabe des Rechtsstaates, solche Täter zu verurteilen. Wenn das nicht passiert, ist das eine nicht hinzunehmende Lücke. Köln gehört aufgeklärt - und zwar in jeder Hinsicht.

*Anmerkung der Redaktion:

Die im Text genannte Zahl ist der Stand zum Zeitpunkt der Publikation. Laut Kölner Polizei sind mittlerweile (Stand 11. Januar) etwa 516 Anzeigen eingegangen. In 237 Fällen handele es sich um mutmaßliche Sexualdelikte. In 107 dieser Sexual-Fälle sei gleichzeitig ein Diebstahl angezeigt worden. Bei den übrigen 279 angezeigten Straftaten handele es sich um mutmaßliche Eigentums- und Körperverletzungsdelikte.

Weitere Informationen
Ein Streifenwagen der Polizei fährt in Köln am Hauptbahnhof vorbei. © dpa bildfunk Foto: Oliver Berg

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