Foodwatch: Mindestens jedes dritte Schwein krank
Matthias Wolfschmidt von der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fordert dringend Verbesserungen in Schweineställen. Der Veterinär hat intensiv zur deutschen Nutztierhaltung recherchiert.
Wie schwerwiegend sind die Probleme in deutschen Schweineställen?
Die gesundheitlichen Probleme sind gravierend. Das zeigen Befunde von Schlachthöfen. Jedes geschlachtete Tier wird auf "Genusstauglichkeit" untersucht. Dabei werden Auffälligkeiten an inneren Organen, an der Haut, an Gelenken und Füßen dokumentiert und den jeweiligen Landwirten zurückgemeldet. Etwa ein Drittel der Schlachtschweine soll hier Auffälligkeiten aufweisen. Das ist eine Durchschnittszahl. Die veröffentlichten Studien geben zum Teil noch höhere Werte an. Allerdings kann der Krankenstand von Betrieb zu Betrieb sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt offenbar Betriebe, die es schaffen, dass die Schweine ziemlich gesund durchs Leben kommen, in anderen dagegen finden sich massenhaft kranke Tiere.
Hängen die Probleme von der Größe der Betriebe ab?
Die wissenschaftlichen Studien zeigen sehr deutlich, dass wir es offensichtlich mit einem systemischen Problem zu tun haben, und dass es in allen Betriebsformen, ob groß, ob klein, ob öko, ob konventionell, Betriebe mit guter und welche mit schlechter Tiergesundheit gibt.
Was sind die Ursachen der Tierschutzprobleme?
Nutztierhaltung ist eine große und komplexe Herausforderung. Und Tiergesundheit ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit, denn sie hängt von vielen Faktoren ab. Dabei stehen die Landwirte auch noch unter enormem Preisdruck. Sie müssen also möglichst kostengünstig produzieren und zum Teil über Jahre mit Ställen arbeiten, die keine tiergerechte Tierhaltung ermöglichen. Die Tiere sind dabei auf Höchstleistungen hingezüchtet. Schon kleinste Fehler bei der Lüftung, Hygiene oder Fütterung können deshalb fatale Folgen haben.
Wer ist verantwortlich für kranke Tiere?
Formal sind natürlich die Landwirte verantwortlich, denn sie sind ja die Tierhalter. Am Ende sind sie aber ebenso Opfer des Systems wie die Tiere. Niemand bezahlt landwirtschaftliche Tierschutz-Exzellenz. Die großen Handelsunternehmen nutzen die Marktlage - oder sollte man sagen die Notlage - der Bauern gnadenlos aus. Die Preise werden gedrückt, weil es ein Überangebot an Schweinefleisch - aber auch Milch - gibt. Dabei behauptet die Interessenvertretung der Bauern immer wieder, den Nutztieren gehe es doch immer besser. Klar profitieren auch alle Verbraucher von den niedrigen Preisen, aber sie machen diese Preise nicht. Vor allem aber haben sie über ihre Kaufentscheidung keine - ich betone: keine! - Möglichkeit, ein Schnitzel von einem nachweislich gesund gehaltenen Schwein zu kaufen.
Was muss sich ändern, damit es den Schweinen besser geht?
Der "Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik" hat der Bundesregierung bereits 2015 nachgewiesen, dass die Nutztierhaltung in Deutschland "nicht zukunftsfähig" ist. Unser Ziel muss es sein, dass nicht mehr krank oder verhaltensgestört gemachte Nutztiere die Regel sind, sondern gesunde. Danach müssen wir die gesamte Tierhaltung ausrichten. Das wird Geld kosten. Wir Verbraucher werden deshalb also endliche mehr bezahlen müssen. Dafür werden uns die Bauern nachweisen müssen, dass die Lebensmittel von gesunden, nicht verhaltensgestörten Tieren stammen.