Stand: 24.08.2016 17:00 Uhr

Brandkatastrophe: Wärmedämmung offenbar maßgeblich beteiligt

Ausgebrannter Dachstuhl eines Wohnhauses in Duisburg. Bei dem Brand starben vier Menschen. © dpa / picture-alliance Foto: Maja Hitij
Drei Menschen starben in diesem Duisburger Dachstuhl.

In den frühen Morgenstunden des 17. Mai waren in Duisburg eine Mutter und ihre 8- und 14-jährigen Söhne ums Leben gekommen, als sich ein Feuer, das im Erdgeschoss ausbrach, blitzschnell bis ins Dachgeschoss fraß, wo die Familie schlief. 28 weitere Hausbewohner wurden seinerzeit verletzt. Von Anfang an deuteten viele Anzeichen darauf hin, dass die wärmegedämmte Fassade bei der rasend schnellen Ausbreitung des Feuers eine entscheidende Rolle spielte (Panorama berichtete).

Wie die Zeitungen der WAZ-Gruppe berichten, liegt der Staatsanwaltschaft Duisburg nun ein Gutachten vor, das bescheinigt: Die Fassade habe den bautechnischen Vorschriften entsprochen, dennoch fraßen sich die Flammen laut "WAZ" "wie an einer Zündschnur" über vier Etagen bis ins Dach. Die verwendeten Polystyrolplatten (besser bekannt unter dem Namen Styropor) seien bis heute zur Dämmung zugelassen. Da alle Vorschriften eingehalten wurden, muss sich nun wohl alleine die 74-jährige Erdgeschoss-Bewohnerin, in deren Wohnung das Feuer ausgebrochen war, wegen fahrlässiger Brandstiftung und fahrlässiger Tötung verantworten.

VIDEO: Wärmedämmung: Wie aus Häusern Brandfallen werden (6 Min)

Feuerwehr-Experten warnen seit Langem

Für Experten, die sich schon lange mit der Brandgefahr von wärmegedämmten Fassaden beschäftigen, dürfte dieses formaljuristisch korrekte Ermittlungsergebnis ein schlechter Scherz sein. Denn bei jedem Zimmerbrand können die Fenster platzen, so dass Flammen ins nächste Geschoss überschlagen können. Doch spätestens dann hat die Feuerwehr die Situation im Normalfall im Griff - wenn es sich um eine massive, nicht brennbare Außenwand handelt.

Ganz anders kann das bei Bränden an Styropor-gedämmten Fassaden ablaufen. Eine Liste der Frankfurter Feuerwehr verzeichnet über 80 Fassadenbrände. Die Schilderungen von Feuerwehrleuten ähneln sich: Viele berichten von einer "sehr schnellen" oder gar "explosionsartigen" Ausbreitung der Flammen über die gesamte Höhe der Fassade und vergeblichen Löschversuchen.

 "Da hat die Feuerwehr nix mehr zu machen"

Branddirektor Peter Bachmeier aus München hat mal nachgerechnet: "Stellen Sie sich vor, es brennt eine Mülllagerung und die Flammen erwärmen nur eine Fassadenfläche von fünf auf zehn Metern, bei einer Dämmschichtdicke von 25 Zentimetern. Dann laufen in diesen brennenden Unrat 220 Liter Heizöl. Das muss man sich vorstellen: Da brennt es und jemand schüttet 220 Liter Heizöl rein. Da hat die Feuerwehr nix mehr zu machen. Bis die Feuerwehr kommt, steht das Gebäude im Vollbrand.“

Den Einsatzkräften bleibt dann oft nur noch die Möglichkeit, die durch giftige Rauchgase im Treppenhaus eingeschlossenen Bewohner über Drehleitern zu retten. Für die Familie im Dachgeschoss des Duisburger Wohnhauses kam diese Hilfe zu spät.

Brand ähnelt NDR Versuch von 2011 

Der Brand in Duisburg ähnelt fatal einem Großversuch, den das NDR Magazin 45 Min 2011 in Auftrag gegeben hatte. Um das Etikett „schwerentflammbar“ zu erhalten, muss ein Wärmedämmverbundsystem (WDVS) einen Zulassungstest durchlaufen, einen Brandversuch im Originalmaßstab. Dabei stellen die Prüfer einen Zimmerbrand nach, bei dem die Flammen aus dem Fenster schlagen und die Dämmung erhitzen. Kurioserweise werden die Tests von den Herstellern der Dämmsysteme selbst beauftragt und bezahlt. Die Zulassungsbehörde, das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt), sieht darin kein Problem.

Mittlerweile sind die Bauvorschriften immerhin leicht verschärft worden: Bei Neubauten müssen im Sockelbereich zwei zusätzliche Brandriegel eingezogen werden. Dabei handelt es sich um 20 Zentimeter dicke Streifen aus nicht brennbarer Steinwolle, wie sie weiter oben bereits bei jedem zweiten Stockwerk vorgeschrieben sind. Doch ob diese Maßnahme wirksam ist, gilt ebenfalls als umstritten. Für die Duisburger Fassade hatte die neue Vorschrift aber ohnehin noch nicht gegolten.

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