Sie treffen Junge und Alte, Sportliche und Unsportliche, Menschen mit leichtem und mit schwerem Krankheitsverlauf: Langzeitfolgen nach einer Coronainfektion, das sogenannte Post-Covid-Syndrom.
Langsam stellen sich die Rehakliniken in Deutschland darauf ein und lernen aus den gesammelten Erfahrungen. Aber die Verunsicherung bei Betroffenen, Expertinnen und Experten ist noch groß. Wie bekommt man die Folgen von Corona in den Griff?
Corona-Langzeitfolgen: Müdigkeit und Vergesslichkeit
Hoffnung auf Besserung: Brigitte Standke versucht optimistisch in die Zukunft zu blicken.
Dr. Brigitte Standke erkrankte im Frühjahr an Covid-19. "Ich habe durch die Erkrankung gelernt, geduldig zu sein", erzählt sie. Davor war sie sportlich, aktiv und immer unterwegs. Sie arbeitete selbst als Radiologin. Die Diagnose liegt mittlerweile mehrere Monate zurück. Auch eine Reha in Heiligendamm ist vorbei.
Geblieben sind ihre ständige Müdigkeit und Vergesslichkeit. Jetzt wartet sie. Darauf, dass sie nicht mehr nur in den Statistiken als "genesen" aufgeführt wird, sondern sich auch so fühlt. Noch weiß sie nicht, ob und wann sie wieder in ihrem alten Beruf arbeiten kann, die Einschränkungen sind noch groß.
Noch ist unbekannt wie lange Post-Covid-Symptome andauern
Nach der Erkrankung fühlt Carolin Spillner sehr schwach und kann ihren kleinen Sohn nicht mehr wickeln, weil es sie zu sehr anstrengt. So wie ihr geht es vielen: Die Zahl der Menschen in Deutschland, die 2020 an Covid-19 erkrankten, ist hoch: zum Ende des Jahres waren es mehr als 1,7 Millionen, Mitte Februar 2021 rund 2,3 Millionen. Ein zuvor unbekanntes Virus mit einem unbekannten Verlauf.
Auch nachdem die Krankheit scheinbar überstanden ist, gibt es bei einigen etwas, das bleibt: Atemprobleme, extreme Müdigkeit, Lähmungserscheinungen oder Vergesslichkeit. Die Liste der möglichen Symptome ist lang. Was bisher niemand genau weiß: Wie lange bleiben sie? Und werden sie überhaupt wieder verschwinden?
Long-Covid betrifft auch junge, sportliche Menschen
Zu den jungen Betroffenen von Long Covid gehört Eishockey-Profi Janik Möser. Nach seiner Corona-Infektion bekam der 25-Jährige eine Herzmuskelentzündung. Nur durch Zufall wurde das entdeckt. Der Spitzensportler bekommt Sportverbot vom Arzt. Krank fühlt sich Janik nicht, doch Sport wäre für ihn lebensgefährlich. Erst nach drei Monaten kann Möser wieder mit dem Training anfangen.
Manche Patient*innen müssen neu atmen lernen
Lungenfachärztin Dr. Jördis Frommhold von der Median Klinik Heiligendamm war eine der Ersten, die eine speziell an Covid-Patientinnen und -Patienten angepasste Reha entwickelt hat. Sie ging mit ihren Erfahrungen an die Öffentlichkeit und machte auf die Langzeitfolgen aufmerksam.
Einige der Menschen, die in die Reha nach Heiligendamm kommen, müssen neu atmen lernen. Andere langsam ihre kognitiven Fähigkeiten wiederaufbauen. Am Ende der Reha geht es den meisten besser, aber gesund sind viele noch immer nicht.
Eine längere Zeit der Regenerierung nach einer schweren Krankheit ist nicht ungewöhnlich, gerade nach einer intensivmedizinischen Behandlung. Bei Covid-19 leiden aber auch Personen mit einem leichten Verlauf langfristig an den Folgen. Und was ebenfalls neu ist: Bei anderen Krankheiten sind nicht Millionen Menschen betroffen.
Welche Folgen hat das Post-Covid-Syndrom?
Das ist eine Herausforderung für das Gesundheitssystem und den Arbeitsmarkt. "Die Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen, dass die Menschen nicht so schnell ins Berufsleben zurückkehren können", glaubt der Medizinsoziologe Nico Dragano. Doch was bedeutet das?
Die Autorinnen Antje Büll und Alexandra Bidian treffen für die Doku Menschen, die am Post-Covid-Syndrom leiden und begleiten sie auf ihrem Weg zurück in ihr altes Leben. Im Gespräch mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geben sie außerdem eine Einordnung in den aktuellen Stand der Forschung, über eine Erkrankung, die auch nach der akuten Phase schwere Folgen haben kann. Für den einzelnen Menschen, aber auch für das gesamte System.
Wer sind die Expert*innen im Film, welche Informationsquellen gibt es zum Thema der Doku und wo können sich User*innen weiter informieren?
An der Berliner Charité gibt es seit Jahren Forschungen zum chronischen Fatigue-Syndrom - am Charité Fatigue Centrum. Geleitet wird es von Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen. Die Fachärztin für Hämatologie, Onkologie und Fachimmunologie ist außerdem Chefin der Immundefekt-Ambulanz.
Prof. Stefan Schreiber ist Chef der Klinik für Innere Medizin I am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. Der Molekularbiologe leitet außerdem eine Studie mehrerer Universitäten zu den Langzeitfolgen von Covid-19.
Dr. Jördis Frommhold ist pneumologische Chefärztin der MEDIAN Klinik in Heiligendamm. Die Medizinerin stellte bereits bei den ersten Corona-Patientinnen und -Patienten im Frühjahr 2020 fest, dass die Spätfolgen viel gravierender sind und länger anhalten, als allgemein vermutet.
Der Medizin-Soziologe Nico Dragano untersucht, welche sozialen und psychischen Folgen die Pandemie haben kann. Hier informiert er über seine Arbeit.
Der Gesundheitspolitiker Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD) ist Epidemiologe und Gesundheitsökonom. Der Mediziner ist einer der wenigen Politiker*innen, die bereits öffentlich vor dem Post-Covid-Syndrom warnen. Unsere Autorin Antje Büll hat mit Lauterbach ein ausführliches Interview über Long-Covid, die mutmaßliche Zahl der Betroffenen und die erforderliche Forschung gesprochen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Wasem hat einen Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen inne. Der Gesundheitsökonom beschäftigt sich mit den wirtschaftlichen Folgen des Post-Covid-Syndroms für das Gesundheitsystem. Unsere Autorin Antje Büll hat den Wissenschaftler in einem Interview nach den sozialen und wirtschaftlichen Folgen von Long Covid gefragt, aber auch nach Maßnahmen, die ergriffen werden müssten, um diese zu mildern.
Wie in der Lungenfachklinik in Heiligendamm Menschen mit Covid-19-Spätfolgen behandelt werden, zeigt dieser Bericht von DAS! vom 13.02.201.
Eine Liste mit Post-Covid-19-Ambulanzen in ganz Deutschland hat die Selbsthilfegruppe langzeit-covid.de zusammengestellt.
Im Netz gibt es einige Selbsthilfegruppen, die anderen Betroffenen des Post Covid-Syndroms und Fatigue-Syndroms weiterhelfen.
Langzeit-Covid.de bezeichnet sich selbst als "Informationsseite zu Europas größter deutschsprachiger Selbsthilfegruppe". Die Initiative hat außerdem eine Petition bei Campact gestartet, die von den Bundesminister*innen Anja Karliczek und Jens Spahn unter anderem eine "öffentliche Anerkennung von Langzeit-Covid und daraus resultierender Arbeitsunfähigkeit" anerkennt.
Auch Fatigatio e.V. ist eine Patientenorganisation für Betroffene mit Chronischem Fatigue-Syndrom. Hier informiert der Bundesverband über Telefonberatung und regionale Gruppen.
Eine weitere private Selbsthilfegruppe findet sich auf Facebook unter lebenmitcovid19.
Unter den beiden Begriffen Long-Covid und Post Covid-Syndrom verstehen Mediziner*innen nach jetzigem Stand der Forschung eine Vielzahl von Symptomen, die nach einer Infektion mit dem Coronavirus auftreten. Dazu gehören etwa Kurzatmigkeit, Erschöpfung (Fatigue), Depression, Konzentrationsschwierigkeiten sowie Herzprobleme.
Dass durch eine Virusinfektion Entzündungen oder andere Beeinträchtigungen entstehen können, ist medizinsch bekannt. So können Viren, wie auch das Coronavirus Herzmuskelentzündungen oder andere Herzschäden hervorrufen. Zehn bis 15 Prozent der Covid- Patient*innen mit einem schweren Verlauf haben Entzündungen am Herzen, zeigen erste Beobachtungen. Forschende schätzende die Zahl der Betroffenen auf zehn Prozent aller Infizierten, manche sogar auf 35 Prozent.
Lungenprobleme treten vor allem nach Lungenentzündungen und langen Krankenhausaufenthalten auf. Nach bisherigen Erkenntnissen bessern sich bei den meisten die Beschwerden im Laufe mehrerer Wochen.
Als großes Problem stellt sich eine allgemeine Erschöpfung heraus, die sogenannte Fatigue; siehe nächstes Stichwort.
Als eine der gravierendsten Langzeitfolgen einer Infektion mit Sars-CoV-2 stellt sich mehr und mehr die lähmende Erschöpfung heraus - das Fatigue-Syndrom. Im schlimmsten Fall wird es chronisch. Die Erkrankung tritt auch nach anderen Virus-Infektionen auf. Bis jetzt gibt es noch keine Medikamente, um Fatigue zu heilen.
Worum es sich beim Chronischen Fatigue-Syndrom handelt, erklärt die Deutsche Gesellschaft für ME/CFS (Myalgische Ezenphalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom) in einem Übersichtsartikel. Im November 2020 hat die Gesellschaft zudem ein Papier über die Fatigue nach einer Corona-Infektion veröffentlicht.
An der Berliner Charité wird seit Jahren daran geforscht. Jetzt befürchten Ärzte und Ärztinnen eine dramatisch steigende Zahl. Wie viele Menschen davon betroffen sind, welche Symptome auftreten und was dagegen getan werden kann, erklärt Prof. Carmen Scheibenbogen vom Fatigue-Centrum der Berliner Charité in einem ausführlichen Interview mit 45 Min.
Über die Langzeitfolgen einer Coronavirusinfektion hat außerdem das NDR Gesundheitsmedizin Visite bereits mehrfach berichtet; unter anderem in diesem Beitrag.
Ein ausführliches Dossier zum Chronischen Fatigue-Syndrom bietet die WDR-Wissenssendung Quarks.
Covidom-Studie: Um mehr Gewissheit über das Post-Covid-Syndrom zu bekommen, laufen weltweit Studien. Am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein sollen während der Covidom-Studie zehn Jahre lang 3.000 Corona-Infizierte untersucht und beobachtet werden. Folgeerkrankungen wie Schlaganfälle oder Herzinfarkte, die erst Jahre nach der Virus-Infektion auftreten, werden so erfasst, hofft der Studienleiter Prof. Stefan Schreiber. Ehemals Infizierte können sich (etwa unter info (at) covidom.de) für die Studie melden - egal welchen Krankheitsverlauf sie hatten.
Wuhan-Studie: Anfang 2021 wurde in der renommierten Medizin-Fachzeitschrift "The Lancet" eine Studie über die Langzeitfolgen von Patient*innen in Wuhan veröffentlicht. Sie hat erstmals gezeigt, was Langzeitfolgen sein können. Von mehr als 1.700 Covid-Kranken hatten 76 Prozent nach bis zu 6 Monaten noch mindestens ein Symptom. Dabei waren Erschöpfung und Muskelschwäche am häufigsten. Über Schlafstörungen klagten 26 Prozent, über Depressionen 23 Prozent.
Die hohe Prozentzahl von Langzeitfolgen aus der Studie ist alarmierend. Jedoch: Befragt wurden ausschließlich Menschen, die mit einer schweren Lungenentzündung in der Klinik in Wuhan lagen. Für Forschende wenig überraschend. Im Laufe der zweiten Welle stellte sich jedoch heraus, dass zusätzlich auch Menschen mit einem eher leichten Verlauf nicht wieder gesund werden. Sie wurden bisher kaum erfasst.
Das Ärzteblatt hat über die Studie von Wissenschaftler*innen aus Wuhan berichtet.
Das Recherchezentrum Correctiv hat die gängigsten Behauptungen rund um die Coronavirus-Epidemie zusammengetragen und die Fakten gecheckt.
Warum auch Wissenschaftler*innen manchmal irren und sich einen neuen Kenntnisstand aufgrund neuer Forschung erarbeiten und warum das auch gut ist, erklärt die Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin erklärt die Chemikerin Mai Thi Nguyen-Kim auf ihrem YouTube-Kanal.
Im Wissenschaftspodcast Coronavirus-Update von NDR Info sprechen die Virologen Christian Drosten (Charité) und Sandra Ciesek (Universitätsklinikum Frankfurt a.M.) jede Woche über die neuesten Erkenntnisse der Forschung in Sachen Coronavirus.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Impfen und COVID-19 hat das Robert-Koch-Institut auf seiner Website zusammengestellt.
Das Paul-Ehrlich-Institut (Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel) hat eine umfassende Liste von Artikeln zum Zulassungsprozess der Impfstoffe zusammengestellt. Außerdem erklärt der Präsident des Instituts die Wirkweise und das Zulassungsverfahren neuer Impfstoffe.
Informationen der Bundesregierung zum Thema Coronaschutzimfpung finden sich auf der Website zusammengegencorona.de.
Das Gesundheitsmagazin Visite ist der Frage nachgegangen, wie die Impfung gegen das Coronavirus hilft und hier beantwortet es die Frage, was die Mutationen für die Impfungen bedeuten.
Wie viele Leben wohl schon durch die Impfungen gerettet wurden, hat der RBB in diesem datenjournalistischen Angebot mit interaktiven Grafiken berechnet.
Nach einer der häufigsten Falschannahmen beeinflusst die Coronavirus-Impfung die Fruchtbarkeit. Warum das falsch ist, erklärt der Molekularbiologe Martin Moder gut verständlich und unterhaltsam im YouTube-Kanal des Robert Koch-Instituts.
Eine weitere Falschbehauptung besagt, dass die mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19 Einfluss auf das Erbgut nehmen. Martin Moder hat sich auch dieser falsche Behauptung vorgenommen und erklärt, warum das gar nicht funktionieren kann.
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Menschen, die schwer an Covid-19 erkrankt waren, leiden an Folgeerscheinungen. Eine Reha kann für sie sinnvoll sein.
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Nach einer Covid-19-Erkrankung dauert es oft Monate, bis sich Genesene wieder fit fühlen. Die Symptome sind vielfältig.
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