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Montag, 11. Januar 2021, 22:00 bis
22:45 Uhr
Mehr als 1,5 Millionen Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten sind seit 2015 nach Deutschland gekommen. Möglichst viele von ihnen in die Lebens- und Arbeitswelt hierzulande zu integrieren, ist eine große Herausforderung für die Politik und die Behörden.
Wie also werden die Flüchtlinge beraten, geschult und ausgebildet? Wie erfolgreich ist die Vermittlung in den Arbeitsmarkt? Wie viele Milliarden Steuergeld kostet das - und werden diese riesige Summen sinnvoll eingesetzt?
Im Fokus: Bundesagentur für Arbeit und private Bildungsträger
Im Zentrum all dieser Fragen steht die Bundesagentur für Arbeit mit ihren regionalen Jobcentern. An den Fortbildungsmaßnahmen sind aber auch die vielen, meist privaten Bildungsträger beteiligt, die zahlreiche Kurse für Flüchtlinge entwickeln und anbieten - und dafür jährlich Milliarden Euro von der Bundesagentur für Arbeit kassieren.
Fragen zu Kosten und Inhalten: Unbeantwortet
Doch die Recherchen zu all diesen Fragen sind schwierig. So verweigerten fast alle Jobcenter und Bildungsträger, die für diese Dokumentation angefragt wurden, die Dreharbeiten. Auch Fragen zu Kosten, zu Inhalten der Kurse oder zu den eventuellen Erfolgen der Maßnahmen wurden zumeist nicht beantwortet. Häufige Begründung: Das Thema sei zu "sensibel", könne zu "polarisierend" sein.
Wie sinnvoll sind die angebotenen Kurse?
Gesprächsbereit waren einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Angebote: So schildert eine eigentlich dringend benötigte Hebamme, wie sie in Kursen für 10.000 Euro zu einer sogenannten Integrationsmanagerin umgeschult wurde. Ein 64-jähriger Flüchtling musste für viel Geld einen Kurs für "Bewerbungstraining" absolvieren. Ehemalige Ärzte werden gemeinsam mit Analphabeten in "Logistikkurse" geschickt.
Jeder Bildungsträger bietet eigene Kurse an und benötigt für sein lukratives Geschäft ein sogenanntes Zertifikat. Dies wird erteilt durch Dekra, TÜV und Co. Doch die prüfen sehr häufig lediglich Papiere, Raumgröße und Brandschutz der Einrichtungen, aber nur sehr selten die Seriosität der Anbieter oder die Sinnhaftigkeit all dieser Angebote.
Berufe ohne Bedarf auf dem Arbeitsmarkt
Die irritierende Folge: Es werden Berufsfelder angeboten, für die es auf dem Arbeitsmarkt gar keinen Bedarf gibt. Ein Experte dieser Branche kommt zu der vernichtenden Erkenntnis: "Berufe wie Integrationsmanager sind Eigenentwicklungen der Bildungsträger. Sie können das Ganze auch Kaiser von China nennen."
Doch das Geschäftsmodell funktioniert. Jährlich vergibt die Bundesagentur für Arbeit mehrere Milliarden auch an solche Bildungsträger mit fragwürdigen Angeboten.
Beispiel UKE: So kann Qualifizierung funktionieren
Die Dokumentation zeigt aber auch sinnvolle Maßnahmen: So werden beispielsweise im Universitätskrankenhaus in Hamburg-Eppendorf Qualifizierungskurse für dringend benötigte Krankenschwestern angeboten. Der Erfolg ist messbar. Doch Geld vom Jobcenter erhält das UKE nicht. Denn diese Kurse sind nicht zertifiziert.
Die Bilanz fünf Jahre nach dem berühmten Merkel-Satz "Wir schaffen das" ist nicht eindeutig. Denn neben den zweifelslos vielen Erfolgsgeschichten gibt es auch viele Maßnahmen, deren Sinnhaftigkeit zu Recht kritisiert werden müssen.
- Redaktion
- Kuno Haberbusch
- Autor/in
- Rita Knobel-Ulrich
- Produktionsleiter/in
- Michael Schinschke
- Redaktion
- Becker, Kathrin