Länder - Menschen - Abenteuer
Donnerstag, 24. Oktober 2024, 20:15 bis
21:00 Uhr
Die Albanischen Alpen liegen mitten in Europa und blieben doch für lange Zeit schwer zugänglich und fremd. Langsam öffnet sich der Norden des Landes für Besucher und die Einheimischen begegnen ihnen ausgesprochen freundlich. Das eigene Haus gehört zuallererst Gott und danach dem Gast. So atemberaubend schön die Natur hier ist, so hart ist auch der Alltag seiner Bewohner.
Ein Paradies hoch oben in den Bergen
Einen halben Tagesmarsch dauert der Aufstieg mit Packpferden in das Sommerlager der Schäferin Laqe und ihrer Familie auf einer Hochebene in den Bergen nördlich des kleinen Dorfes Lepushe. Jedes Jahr wandert die Familie mit ihrer Schafherde hier hinauf und bleibt, bis der erste Schnee fällt. Das Weideland weit oben in den Bergen empfindet Laqe wie das Paradies: "Mein halbes Leben hab` ich hier verbracht. Und ich bete zu Gott, dass ich hier sterben darf!", so die Schäferin. Laqe sagt, sie sei wohl Mitte 60, so genau wisse sie das nicht. So liegt inzwischen alle schwere Arbeit auf den Schultern ihrer Schwiegertochter Marjana, die sich von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang um die Tiere und die Familie kümmert. Denn wer in diesen Bergen leben will, muss darum kämpfen.
Nur noch wenige Bewohner leben in der Siedlung
Nur wenige Kilometer entfernt fließt der Fluss Shala durch die Alpen. Hoch über dem klaren kalten Strom lebt Gjelosh Preka mit seiner Frau Mirja. Der 55-Jährige betreibt den letzten Laden in den Bergen. Wer etwas kaufen will, ruft so lang und laut nach Gjelosh, bis der den Hang hinabklettert und seinen Laden aufschließt. "Ich verkaufe alles, was die Menschen hier oben brauchen: Treibstoff, Haarfärbemittel für die Frauen, Mehl, Zucker, Öl. Aber eigentlich lohnt es sich nicht mehr." Heute leben nur noch etwa 30 Menschen in der abgelegenen Siedlung. Früher, während des Kommunismus, arbeiteten mehrere Hundert Menschen hier oben in der Landwirtschaft. Vorm Laden stand man Schlange. Dann verschwand das Regime und mit ihm fast alles andere. Die meisten jungen Leute haben die Gegend verlassen, auch Gjeloshs drei Kinder leben im Ausland.
Für die letzten Bewohner betreibt Gjelosh nicht nur den einzigen Laden in den Bergen. Hauptberuflich arbeitet er im alten Wasserkraftwerk im Tal, repariert ehrenamtlich die maroden Stromleitungen in halsbrecherischer Höhe und schleppt mit seinem Allradwagen liegen gebliebene Autos ab, die in den Bergen eigentlich nichts zu suchen haben. Denn hier oben gibt es keine Straße, nur felsige Pfade.
"Der beste Fisch in ganz Albanien"
Manchmal nimmt Gjelosh seinen alten Freund Ded Nika mit auf seine abenteuerlichen Fahrten nah am Abgrund. Eigentlich macht Ded jede Fahrt hier oben Angst, doch zu Fuß würde es ewig dauern. Ded will weiter hoch in die Berge, dorthin, wo die Shala rauschend talwärts stürzt. Fische will er dort fangen: "Die Bachforelle der Shala ist der beste Fisch in ganz Albanien und etwas ganz Besonderes", meint Ded. Dann zieht er sich aus, nimmt sein Netz und klettert in Unterhose die Felsen hinauf. Ded hofft auf einen guten Fang. Denn er hat Gjelosh und alle seine Freunde zu einem Fest eingeladen mit selbst gebranntem Schnaps, einem Hammel am Spieß und über offenem Feuer gebratenen Bachforellen.
Die raue Schönheit dieser Berge
Die Dokumentation nimmt die Zuschauer*innen mit in den unbekannten Norden Albaniens. Dieser Teil der Alpen ist selbst den meisten Albanern im Flachland so fremd, dass manche sie "Bjeshkët e Nemuna" nennen, die "Verwunschenen Berge". In der rauen Schönheit dieser Berge war das Kamerateam mehrere Wochen lang unterwegs und hat Menschen beobachtet, deren Leben noch immer von jahrhundertealten Traditionen geprägt ist.
- Autor/in
- Carsten Rau
- Produktionsleiter/in
- Tim Carlberg
- Redaktion
- Christian Kossin
- Redaktionsleiter/in
- Ralf Quibeldey