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Schlecht behandelt? Rassismus in der Medizin

Montag, 13. November 2023, 22:00 bis 22:45 Uhr

Mehr als ein Viertel der Menschen, die in Deutschland leben, haben einen Migrationshintergrund. Kann es sein, dass viele von ihnen beim Arzt oder im Krankenhaus schlechter behandelt werden? Auf Grund von Vorurteilen, mit zum Teil lebensgefährlichen Folgen?  

Gesundheitsgefährdend: Rassismus im Gesundheitswesen

In dieser Doku kommen Menschen zu Wort, die in medizinischen Ausnahmesituationen abgewiesen oder unzureichend behandelt wurden, Hebammen, die über Rassismus im Kreißsaal sprechen, Studierende, die die Lehre nach weißer Norm kritisieren sowie Ärztinnen und Ärzte, die das Problem reflektieren.

Der Film macht erfahrbar, wie gefährlich bewusster oder unbewusster Rassismus im Gesundheitswesen sein kann. Er ist gestützt durch Ergebnisse der ersten repräsentativen Studie zum Thema in Deutschland, die das Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung am 7. Novebmer 2023 veröffentlicht hat.

Weiße Menschen - Norm in medizinischen Lehrbüchern

Tatsache ist: Auch heute kursiert im Gesundheitswesen noch der Begriff "Morbus Mediterraneus", der abwertend "aufgebauschtes Leiden bei Südländern"beschreiben soll. Medizinisches Standardgerät funktioniert nicht zuverlässig auf dunkler Haut. Und viele Ärztinnen und Ärzte haben nie gelernt, dass manche Krankheiten bei Schwarzen Menschen anders zu diagnostizieren sind als bei Weißen. Die medizinische Norm, auch in den Lehrbüchern, ist nach wie vor der weiße, westeuropäische Patient. Fehldiagnosen und schwere Krankheitsverläufe können die Folgen sein.   

Zu spät für medikamentöse Behandlung

Remziye T. hätte ihre unerkannte Herzklappenentzündung fast nicht überlebt. © NDR
Remziye T. hätte ihre unerkannte Herzklappenentzündung fast nicht überlebt.

So war es bei Remziye T. aus Niedersachsen. Ihre entzündete Herzklappe blieb lange unerkannt, weil Ärzte ihre Schmerzen nicht ernst genug nahmen. Als endlich die richtige Diagnose vorlag, war es zu spät für eine medikamentöse Behandlung. Nun muss Remziye T. mit einer mechanischen Herzklappe leben: In Folge der OP kann sie zudem nicht mehr richtig gehen und darf nicht mehr arbeiten. 

Hindernisse in der Diagnostik bei Schwarzen Menschen

Dr. Bismarck Ofori hat das NDR Team in seiner Praxis in Hannover drehen lassen. Der Schwarze Allgemeinarzt hat viele Patientinnen und Patienten mit Migrationshintergrund. Sie erzählen ihm, dass sie in anderen Praxen nicht ernst genommen, zum Teil schroff abgewiesen wurden.

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Eine Frau mit dunkler Haut in Nahaufnahme. © picture alliance/Zoonar Foto: Lev Dolgachov

Diskriminierung von People of Colour in der Medizin

Lehrbücher beziehen sich fast ausschließlich auf weiße Patienten. Viele Symptome sind bei schwarzer Haut schwerer zu erkennen. mehr

In Oforis Behandlungszimmer zeigt sich: Sorgfältig zu diagnostizieren und dabei Sprachbarrieren zu überwinden, kostet Zeit und Geld. Nicht das einzige Hindernis bei der Diagnostik. Da ist zum Beispiel das Pulsoximeter, ein Messgerät für den Sauerstoffgehalt im Blut, das bei dunkler Haut oft falsche Werte ermittelt. Doch im Medizinstudium wird dies nicht systematisch gelehrt. 

Bei den Recherchen stand das NDR Team immer wieder vor verschlossenen Türen. Die Auseinandersetzung mit Rassismus und seinen Folgen beginnt gerade erst im Gesundheitswesen. Doch viele Ärztinnen und Ärzte, Medizinstudiernde, Hebammen und ein Medizinhistoriker haben Auskunft gegeben - über ein Problem, das im schlimmsten Fall lebensgefährlich sein kann.  

Redaktion
Gabi Bauer
Autor/in
Johanna Lepere
Produktionsleiter/in
Anja Reingold
Das Logo von #NDRfragt auf blauem Hintergrund. © NDR

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