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Montag, 16. August 2021, 22:00 bis
22:45 Uhr
Der Paragraf 218 ist 150 Jahre alt. Nach wie vor sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland rechtswidrig und nur unter bestimmten Bedingungen straffrei. Mittlerweile müssen Frauen in manchen Regionen lange Wege für einen Schwangerschaftsabbruch in Kauf nehmen. Denn immer weniger Ärzte und Ärztinnen bieten Abtreibungen an. Was sind die Gründe dafür? Und welche gesellschaftlichen Bedingungen beeinflussen diese ärztliche Entscheidung, von der die Frauen so unmittelbar abhängig sind?
Immer weniger Ärzte und Ärztinnen bieten Abtreibungen an
Es sind nicht nur die Frauen, die eine Entscheidung treffen müssen - für oder gegen eine Abtreibung. Auch jeder Arzt und jede Ärztin in Deutschland darf selbst entscheiden. Das hat auch Auswirkungen auf die Versorgung: Seit 2003 ist die Zahl der Praxen und Krankenhäuser, die grundsätzlich Abbrüche durchführen, um fast 46 Prozent gesunken. Das zeigen Daten des statistischen Bundesamtes.
Schwangerschaftsabbruch: Probleme bei der Ausbildung
Neben vielfältigen emotionalen und religiösen Gründen gibt es auch Ursachen für den Ärztemangel, die über die individuelle Entscheidungsebene hinausgehen. Gerade unter Studierenden wie den "Medical Students for Choice" ist der Frust groß, weil sie der Meinung sind, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht ausreichend im Medizinstudium thematisiert werden. Die aktivistische Gruppe nimmt die Sache mittlerweile selbst in die Hand, bietet so genannte Papaya-Workshops an: Dort lernen Studierende mithilfe von erfahrenen Gynäkolog*innen anhand einer Papaya, wie Abbrüche funktionieren.
Andere Workshops und Fortbildungen für Ärzte und Ärztinnen bietet auch die Gruppe "Doctors for Choice". Die Ärztin Alicia Baier hat das Netzwerk mitgegründet und betont, wie wichtig diese Fortbildungsangebote sind: "Wenn ich an ein Krankenhaus gehe und nie jemanden kennenlerne, die mir zeigt, wie Abbrüche gemacht werden, dann habe ich ja auch kein Vorbild und keine Motivation und komme gar nicht auf den Gedanken, dass es zu meinem Fach gehört."
Ärzt*innen werden angefeindet und bedroht
Henrik Herrmann, Mitglied des Vorstandes der Bundesärztekammer, findet: Entscheidender dabei, dass verhältnismäßig wenig Ärzt:innen Schwangerschaftsabbrüche anbieten, seien ganz andere Gründe als die Ausbildung. Der Mediziner blickt mit Sorge auf das gesellschaftliche Klima, in dem die Ärztinnen und Ärzte praktizieren müssen. "Wir hören immer mehr aus der Kollegenschaft, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, dass sie angefeindet werden - in den sozialen Medien, aber auch teilweise direkt vor den Praxen", berichtet er.
Probleme bei der Ausbildung, gesellschaftliche Stigmatisierung von Ärzt*innen und immer wieder auch ganz persönliche Gewissenskonflikte: Was prägt die Haltung von angehenden, praktizierenden und ehemaligen Ärztinnen in Deutschland? Die Autorinnen Marie Blöcher und Konstanze Nastarowitz wollen verstehen, wie Mediziner:innen selbst auf die Versorgungslage in Deutschland blicken und wie deren ganz spezielle Rolle und Aufgabe in diesem Konflikt aussieht.
- Redaktionsleiter/in
- Kathrin Becker
- Redaktion
- Kathrin Becker
- Autor/in
- Marie Blöcher
- Konstanze Nastarowitz
- Produktionsleiter/in
- Anja Reingold