Mitglied des Rundfunkrats Schleswig-Holstein, Laura Pooth. © NDR Foto: Cordula Kropke

Vorwürfe NDR Kiel: Empfehlungen des Landesrundfunkrats

Stand: 03.02.2023 10:00 Uhr

Der Landesrundfunkrat (LRR) hat sich in der Sondersitzung am 10. Januar 2023 eingehend mit dem Abschlussbericht der Firma Deloitte befasst und kommt zu folgenden Schlüssen und Empfehlungen

1. Der LRR bestätigt seine zunächst als vorläufig eingestufte Einschätzung:

Im Landesfunkhaus in Kiel wird nach journalistischen Kriterien gearbeitet und in Summe ausgewogen berichtet. Es gibt anhand der sechs untersuchten Fälle keine Hinweise auf systematische oder bewusste Verstöße gegen die Programmgrundsätze des NDR. Es werden jedoch einige Defizite im Landesfunkhaus festgestellt. Dazu gehören ein verbesserungsbedürftiges Führungsverhalten, dessen Ursache unter anderem in unklaren Rollen- und Funktionsbeschreibungen liegt. Ferner sind Kompetenzen und Verantwortlichkeiten nicht eindeutig. Hinzu kommen eine unzureichende interne Kommunikation sowie mangelnde Sensibilität im Hinblick auf die Tragweite und den Kontext von politischen Beschwerden.

Der LRR empfiehlt dem NDR, hier schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen, damit der nötige Wandel in der Unternehmenskultur und im Führungsverhalten umgehend eingeleitet werden kann und in Zukunft schon allein der Anschein von politischer Rücksichtnahme oder Beeinflussbarkeit vermieden wird.

2. Der LRR gibt vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse folgende dringende Empfehlungen sowohl an den NDR als auch an den Rundfunkrat (RR) und regt mit Nachdruck eine zeitnahe Befassung an

a) Umgang von Führungskräften des NDR mit Beschwerden und Eingaben

Der LRR regt einen transparenten Umgang mit Beschwerden und Eingaben an. Er empfiehlt dem RR, vom Rechts- und Eingabeausschuss (REA), dem Programmausschuss (PA) oder einem anderen geeigneten Gremium einen Vorschlag ausarbeiten zu lassen, wie Beschwerden künftig definiert und kanalisiert werden (Kriterienkatalog und Auffindbarkeit). Ziel muss es sein, dass der RR - jenseits einer zu definierenden Bagatellgrenze und im Rahmen seiner zeitlichen Belastbarkeit - Kenntnis von allen Beschwerden, insbesondere aus dem politischen Raum, erhält und dass diese Beschwerden in einem transparenten Verfahren dokumentiert und geprüft werden.

Kurzfristig bittet der LRR die Direktion des Landesfunkhauses Kiel sowie die Intendanz des NDR, im Vorgriff auf die zu findende Regelung schon jetzt die Führungskräfte entsprechend zu sensibilisieren und die Gremien regelmäßig entsprechend zu informieren. Besonders sensibel zu klären ist der Umgang mit Vier-Augen-Gesprächen, insbesondere wenn diese mit Gesprächspartnern aus dem politischen Raum im Landesfunkhaus stattfinden.
Wenn in diesen eine formale Beschwerde platziert wird, fordert der NDR Mitarbeitende die Gesprächspartnerin/den Gesprächspartner auf, diese schriftlich an die LRR-Vorsitzende einzureichen.

b) Führungskultur innerhalb des Landesfunkhauses und des NDR insgesamt

Der LRR bittet die Direktion des LFH SH, den LRR fortlaufend über den bereits begonnenen Prozess zur Verbesserung der Unternehmenskultur zu informieren und dessen (Zwischen-)Ergebnisse regelmäßig dem LRR durch geeignete Mitarbeitende (zum Beispiel Projektverantwortliche) vorstellen zu lassen.

Der LRR empfiehlt dem NDR insgesamt, Mitarbeitende mit Leitungsfunktionen regelmäßig hinsichtlich ihres Führungsverhaltens zu schulen und schon bei der Berufung auf Führungspositionen die Führungserfahrung und Führungsqualitäten der Kandidatinnen und Kandidaten (zum Beispiel in Form eines 360-Grad-Feedbacks) in den Auswahlprozess mit einfließen zu lassen. Der LRR empfiehlt dem Verwaltungsrat (VR), gemeinsam mit dem NDR ein Personalförderkonzept zu entwickeln, das der angestrebten neuen Führungskultur Rechnung trägt, und dessen Kriterien schon bei der Stellenbesetzung in adäquater Weise zu berücksichtigen.

c) Compliance-Regeln

Der LRR bittet den NDR, die einschlägigen Compliance-Regelungen und Dienstanweisungen - insbesondere die Dienstanweisung für Tätigkeiten außerhalb des NDR - zu überprüfen und kurzfristig zu ergänzen. Stichworte sind erstens eine Anzeigepflicht bei Unternehmensbeteiligungen nicht nur von Ehepartnern und Lebensgefährten, sondern auch von weiteren Verwandten (zum Beispiel Kinder, Geschwister etc.) sowie zweitens eine Erweiterung des Sende- und Auftrittsverbots nicht nur bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen, sondern auch bei Kommunal- und Bürgermeister- und Landratswahlen. Vor den anstehenden Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein im Mai 2023 sind die Schulungen entsprechend zeitnah durchzuführen und mit praxisnahen Beispielen für korrektes Verhalten zu versehen.

Grundsätzlich sollen die Schulungen die Mitarbeitenden für einen professionellen Umgang mit Politikerinnen und Politikern auf allen Ebenen sensibilisieren.Der LRR bittet die LFH-Direktion, den LRR fortlaufend über die oben genannten Themen zu informieren.

d) Direkter Austausch mit Programmverantwortlichen

Der LRR regt an, der RR möge den Programmausschuss mit einer Prüfung beauftragen, ob das Redaktionsstatut gegebenenfalls überarbeitet werden muss, um sicherzustellen, dass der Redaktionsausschuss seine Rolle als Schlichter bei Programmkonflikten wahrnehmen und dadurch einen Beitrag zur Sicherung der Binnenpluralität erbringen kann.

Der Vorstand des LRR SH wird sich darüber hinaus eng mit Programmverantwortlichen, unterschiedlichen Beschäftigtengruppen und gewählten Mitarbeiter-Vertretungen wie zum Beispiel dem Redaktionsausschuss austauschen und dem LRR SH darüber berichten. Es ist dem LRR SH ein sehr bedeutendes Anliegen, den Beschäftigten des LFH zu signalisieren, dass der LRR den Prozess der Aufarbeitung der Schwachstellen stark im Blick behalten wird.

e) Status zwischen festen und freien Mitarbeitenden

 Der LRR regt an, der RR möge den Ausschuss für Finanzen, Wirtschaft und Informationstechnologien (FWI) mit der Zusammenstellung eines Faktenkatalogs zur Personalstruktur im NDR (Art und Umfang der Arbeitsverhältnisse, Kostenwirkungen, typische Einsatzgebiete etc.) beauftragen. Ziel sollte es sein, auf dieser Basis eine Einschätzung zu gewinnen, ob die gegenwärtige Aufteilung in feste und freie Mitarbeitende in finanzieller, organisatorischer, personalpolitischer und journalistischer Hinsicht zielführend ist.

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