Mit dem "Taxi nach Leipzig"
Doch das Krimi-Konzept, das Witte bei Rohrbach abgeliefert hatte, musste noch abgesegnet werden. Die beiden stellten es auf der vierteljährlich tagenden Konferenz der Fernsehspielchefs vor. Die zeigten sich allerdings zunächst wenig beeindruckt. Wechselnde Kommissare in einer Serie? Ein solch experimentelles Vorgehen erschien vielen der Programmverantwortlichen allzu riskant.
Doch Rohrbach ließ nicht locker. Er beauftragte Witte, das Exposé auf der nächsten Konferenz noch einmal zu präsentieren - diesmal mit Erfolg. Denn mittlerweile hatte sich die Konkurrenz zwischen ARD und ZDF weiter zugespitzt. So meldete Günter Rohrbach seinem Intendanten Klaus von Bismarck am 2. Juni 1970, dass "das ZDF gerade auf dem Unterhaltungs-Sektor gegenüber der ARD inzwischen einen beträchtlichen Vorsprung hat". Das Erste stand unter Zugzwang.
Wittes Ideen erhielten nicht nur die nötige Zustimmung, sondern so schnell wie möglich sollte er "Tatort" jetzt auch realisieren. Entsprechend bat Horst Jaedicke, damals ARD-Koordinator Fernsehspiel, auf der Sitzung der Ständigen Fernsehprogrammkonferenz im April 1970 "um weitere Vorschläge für die Reihe 'Tatort‘". Diese sollte "publizistisch groß herausgestellt werden".
Drei Krimis, ein Label
Die neuen Entscheidungen setzten Autoren und Filmemacher unter Zeitdruck. So griffen sie pragmatisch zunächst zu Stoffen, die bereits vorlagen. Einige Krimis waren sogar fertig produziert - zwar als einzelne, unabhängige Kriminalfilme, doch jetzt wurden sie zum "Tatort". Das betraf mindestens drei Filme: "Exklusiv!" und "Taxi nach Leipzig" vom NDR und "Mannheimer Morgen" vom Süddeutschen Rundfunk (SDR).
Die Filme "Exklusiv!" und "Taxi nach Leipzig" basierten auf Romanen des Kriminalautors Friedhelm Werremeier. Ihr Held war Paul Trimmel, Hauptkommissar bei der Hamburger Kripo. Die Bücher waren 1968 und 1970 im Hamburger Rowohlt-Verlag erschienen und fast zeitgleich vom NDR verfilmt worden. Entsprechend war der Film "Exklusiv!" schon am 26. Oktober 1969, einem Sonntag, im Fernsehen gelaufen. Der Folgefilm, "Taxi nach Leipzig", lag ebenfalls fertig vor, war aber noch nicht gesendet worden, als in der ARD die Entscheidung für den „Tatort“ fiel.
Trimmel macht das Rennen
Gleiches galt für die Krimi-Dokumentation "Mannheimer Morgen" des SDR. Horst Jaedicke wollte als Programmchef des SDR den Film zur ersten "Tatort"-Folge machen. Doch es gab juristische Schwierigkeiten, die Jaedicke zwangen, von seinem Plan abzurücken, wie der Göttinger Fernsehhistoriker und "Tatort"-Experte Christian Hißnauer berichtet. Hißnauer stützt sich auf zeitgenössische Berichte, wonach der Film einen Fall in Mannheim so realistisch aufgriff, dass erst Persönlichkeitsrechte geklärt werden mussten. Die Klage des verurteilten Täters war "am Ende erfolglos", wie "Der Spiegel" resümierte. Aber der "Mannheimer Morgen" konnte erst als vierte Folge des "Tatort" und zudem unter dem geänderten Titel "Auf offener Straße" ausgestrahlt werden.
Stattdessen fiel die Wahl im April 1970 für die erste offizielle "Tatort"-Folge auf den NDR Film "Taxi nach Leipzig". Die ARD-Fernsehspielchefs hielten auf der Sitzung in Köln außerdem fest, bis zum Januar 1972 "monatlich jeweils an einem Sonntag einen Beitrag der Serie 'Tatort' zu senden"; Auftakt sollte am 29. November 1970 sein.
- Teil 1: "Der Kommissar" - neues Zugpferd im ZDF-Programm
- Teil 2: Die föderale Antwort
- Teil 3: Aufklärungsbedarf