Horst Königstein: Ein erfindungsreicher Grenzgänger
Im Alter von nur 48 Jahren erhält Horst Königstein 1993 den Adolf-Grimme-Preis für sein Gesamtschaffen. Eine ungewöhnlich frühe Ehrung - für eine außerordentlich vielfältige Fernseharbeit. Sie gilt dem Autor, Redakteur, Regisseur, Produzent - und auch dem Ausbilder von Journalisten/ Dokumentaristen. Für all diese Berufsrollen gilt: Horst Königstein gab und gibt Impulse.
In den Jahren von 1993 bis 2010 zeigt der Geehrte nachdrücklich, dass er "nur" für eine Zwischenbilanz ausgezeichnet wurde. Es folgen unter anderem - in unterschiedlichen Funktionen - die erfolgreichen Produktionen "Todesspiel" (1997), "Die Manns - Ein Jahrhundertroman" (2001) und "Speer und Er" (2005; jeweils mit Heinrich Breloer). Und es folgen weitere Auszeichnungen - darunter für "Die Manns" auch wieder ein Grimme-Preis, zudem der Deutsche Fernsehpreis und ein Emmy-Award.
Nicht nur Verfechter des DokuDramas
Die erwähnten drei Fernseharbeiten gelten als herausragende Beispiele des DokuDramas. In den Produktionen ist Dokumentarisches (wie Aussagen von Zeitzeugen, filmisches und fotografisches Archivmaterial) mit Inszeniertem legiert. In der Reinkultur der Form basieren die inszenierten Teile auf solider journalistischer Recherche. Sie zeigen, was nicht als Ton- und Bildmaterial vorliegt.
Immer wieder wird Königstein als Erfinder des DokuDramas etikettiert, so zum Beispiel anlässlich seines Abschieds beim NDR in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Das ist einerseits zu hoch gegriffen, da es Vorläufer und Vorbilder gab. Andererseits ist es zu kurz gegriffen, da Königsteins Œuvre weit mehr umfasst als DokuDramen.
Chronist des Zeitgeistes
Horst Königstein zählt zu den kreativsten Köpfen in der Geschichte des bundesdeutschen Fernsehens: Ein erfindungsreicher Grenzgänger zwischen Dokumentation und Fiktion, der nie auf einen methodischen, formalen und/oder inhaltlichen Zugang zu reduzieren war. In der Gesamtschau lässt er sich am ehesten als Chronist des politischen und kulturellen Zeitgeistes der Bundesrepublik beschreiben. Vor allem Populär- und Trivialkultur zeigt er immer wieder als Zeitspiegel - mit sichtbar großer Lust an Sujets: "Ringo und die Stadt am Ende des Regenbogens" (1977), "Der Tag, an dem Elvis nach Bremerhaven kam" (1979), "Hard Days, Hard Nights" (1989), "Liane" (1996), "Unser Reigen" (2006).
Politischer Dokumentarist
Ein zweiter Schwerpunkt gilt der Dokumentation und Spiegelung aktueller oder zeitnaher politischer Themen. Dafür stehen etwa "Jenninger. Was eine Rede an den Tag brachte" (1989), "Die Staatskanzlei" (1989), "Wehner. Die unerzählte Geschichte" (1993), "Der Mann im schwarzen Mantel" (1994), "Todesspiel" (1997), "Verkauftes Land" (2003), "Die Treuhänderin" (2009).
Diese Nah-Betrachtungen verbinden sich oft - wie zum Bespiel bei "Jenninger" - mit Königsteins drittem zeitkritischen Fokus: der Frage, wie es zu den nationalsozialistischen Verbrechen kommen konnte und wie die Bundesrepublik damit umgeht. Besonders stark sind auf diese Thematik ausgerichtet: "Reichhauptstadt privat" (1987), "Jud Süß – Ein Film als Verbrechen" (2001) und der Dreiteiler "Speer und er" (2005; mit den Folgen "Germania - Der Wahn", "Nürnberg - Der Prozess", "Spandau - Die Strafe").
- Teil 1: Nicht nur Verfechter des DokuDramas
- Teil 2: Das Team Breloer/Königstein