Wetter ist immer
Die Idee, das Wetter anhand einer kurzen Trickfilm-Sequenz zu verdeutlichen, kam 1960 nicht aus heiterem Himmel. Der italienische Fernsehsender hatte mit ähnlichen Kurzfilmen Pionierarbeit geleistet. Außerdem hatte die Ständige Programmkonferenz der ARD schon seit längerem strukturelle Neuerungen im Programm diskutiert. Man verfolgte das Ziel, eine größere Regelmäßigkeit von Programmangeboten herzustellen. Dazu sollte der gesamte Nachrichten-Block des "Deutschen Fernsehprogramms" auf täglich 20 Minuten begrenzt werden. Eine unerreichbare Vorgabe für die alten "Wetterfrösche", die das Wetter nicht nur vorhersagten, sondern auch mit dem Zeichenstift graphisch erläuterten. Den Trickfilm-Experten des HR hingegen reichten zwei Minuten Sendezeit für einen Blick auf die europäische Gesamtwetterlage und die Vorhersage für Deutschland.
Im Osten stürmisch
Schon kurz nach der Umstellung am 1. März brauste den Machern der neuen Wetterkarte ein Sturm der Empörung entgegen. Denn nicht nur die Zuschauer waren von der neuen Aufmachung verunsichert und mussten sich erst langsam an die unterschiedlichen Symbole und ihre Bedeutungen gewöhnen, auch politisch sorgte die neue Wettervorhersage für Kontroversen. Der Kartenausschnitt, die Auswahl der Städte auf der Karte und die Einbeziehung der politischen Grenzen auf der neuen Wetterkarte sorgten für Streit.
Besonders die vermeintliche Vernachlässigung der ehemaligen deutschen Gebiete im Osten war einigen Gruppen in Deutschland ein Dorn im Auge. Schon am 8. März 1960 - also kaum eine Woche nach der Einführung der neuen Karte - richtete sich Hans Krüger, Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV), an den Vorsitzenden der ARD und warf den Wettermachern vor, sie würden in ihrer Sendung "nur ein verstümmeltes Deutschland" darstellen. Während "die Wetterkarte genug Platz für die Darstellung von Holland und Belgien" einräume, höre sie im Osten an der Oder-Neiße-Linie auf und unterschlage den Zuschauern somit einen Blick auf "die ostdeutschen Städte Königsberg und Breslau".
"Keine politische Bedeutung"
Eine Veränderung des Kartenausschnitts konnten solche Briefe und Eingaben - auch von der Landsmannschaft Schlesien - jedoch kaum bewirken. Die ARD erklärte zuerst lediglich, dass "der Wettervorhersage keine politische Bedeutung zugemessen" werden solle. Man verwies darauf, dass die vom BdV vermissten Gebiete in der Karte für die Gesamtwetterlage sehr wohl enthalten seien und "lediglich bei der Wetterprognose selbst“ ein geographisch kleinerer Ausschnitt von Deutschland gezeigt werde.
Nach weiteren Kontroversen einigte man sich im Mai 1960 in der Fernseh-Programmkonferenz schließlich darauf, den "Vertriebenen-Organisationen" ein wenig entgegenzukommen. Im Übergang zwischen dem "Bild der Großwetterlage und der speziellen Wettervorhersage" wurde nun für fünf Sekunden "eine Deutschlandkarte in den Grenzen von 1937" eingeblendet. Es war ein Kompromiss, der sicherlich auch angesichts eines wachsenden Unbehagens von polnischer Seite als richtiger Schritt gewertet werden sollte. Schließlich hatten sich polnische Medien wie die Danziger Zeitung "Glos Wydrzeza" noch im Februar 1960 über die Ansager der Hamburgischen Wettervorhersage erbost. Beunruhigt berichtete die polnische Presse, dass die Meteorologen "im gleichen Atemzug Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Pommern und Ostpreußen" nannten und bei der Temperaturangabe "sogar Breslau in der Reihe der deutschen Städten mit aufführten".
Über das Wetter redet man immer
Auch wenn die herbe Kritik der Anfangszeit mit den Jahren langsam abflaute - über das Wetter im Fernsehen redete man immer wieder gerne. So sorgte in den 70er-Jahren die Einführung der Satelliten-Bilder für die Großwetterlage wiederum für Zündstoff und noch in den 80er-Jahren diskutierte man über den fehlenden Unterhaltungsfaktor des deutschen Fernsehwetters.
Heute hat die ARD-Wetterkarte natürlich ein völlig anderes Gesicht und entsteht nicht mehr am Zeichenbrett sondern mithilfe moderner Computergrafik. Ihren festen Platz als effizientes, kompaktes Programmangebot mit übersichtlichen Informationen innerhalb des 15-minütigen Nachrichtenblocks der "Tagesschau" hat sie jedoch bis heute.
Mit herzlichem Dank für die Unterstützung durch die Forschungsstelle Geschichte des Rundfunks in Norddeutschland.
- Teil 1: Vom Puppenspiel zum "automatischen Wetter"
- Teil 2: Wetter-Film als Teil des neuen Nachrichtenblocks