Stand: 10.01.2013 09:08 Uhr

Die NDR Schulfunk-Reihe "Europa"

Diese Realität steht im Gegensatz zu den Reiseberichten aus den nordischen Ländern, denn hier wird wiederholt der skandinavische Wohlstandsgedanke betont. Osteuropa wird mit den skandinavischen Ländern kontrastiert: "Wohlstand für alle, ist das Ziel des schwedischen Staates" ("So lebt Familie Svensson." 26.11.1962). Eine Sendung über Rumänien zeigt hingegen die Allmacht des Staatsapparats ("Rumänien – Besuch bei Siebenbürger Sachsen." 24.1.1966) und bei einer Reise nach Ungarn stellt der Reisende fest, dass sich das Land sehr verändert habe: schwere Arbeit und hohe Preise, das kommunistische Regime mache alles schlechter und durch die "organisierten Freizeitveranstaltungen" werde die künstlerische Freiheit eingeschränkt ("Wiedersehen mit Budapest." 25.4.1958).

Ein solidarisches Europa

Der Reisende gerät bei seinen Reisen in die "Wildnis" und in abgelegene Gebiete häufig in Gefahr, wird aber stets gerettet - ob es sich um den auf der Suche nach Trinkwasser  umherirrenden Radfahrer handelt, die Bootsfahrer, die in einen starken Sturm geraten oder die vor einer Lawine Fliehenden.

Grundsätzlich helfen ihnen "Einheimische" aus dieser Gefahrenlage. Alle Bewohner des fremden Landes zeigen sich hilfsbereit; sie repräsentieren ein "solidarisches Europa". Auch wenn sie das auf ihre eigene "landesspezifische" Weise tun – und dabei vor allem der Franzose ab und an eher etwas barsch und unfreundlich wirkt –, findet der Fremde doch stets Zuflucht in der ihm fremden Kultur.

Der Reisende ist an den von ihm erkundeten Orten fremd und heimisch zugleich. Sogar der als einzelgängerisch geltende Bretone nimmt den mit seinem Auto liegengebliebenen Reisenden in seine Bauernfamilie auf, die eigentlich keine Fremden mag ("Frankreich - in der Bretagne." 10.12.1962).

Wovon viele träumen

Das solidarische Europa zeigt sich aber nicht nur an den Einzelschicksalen der Reisenden, denen geholfen wird, sondern auch an regelrechten Hilfsprogrammen für bedürftige europäische Regionen. So berichtet zum Beispiel in einer Sendung ein Italien-Reisender von den trostlosen, kahlen und strukturschwachen Gegenden in Süditalien: kaum Landwirtschaft, die Bevölkerung unterernährt, in erbärmlichen Verhältnissen lebend, fernab von "dem sonnigen Süden mit den heißen Sommern und milden Wintern", von denen "viele von uns träumen". Hier berichtet der Guide von den Sozialhelfern der Vereinten Nationen, die diese Region beim Wiederaufbau unterstützen ("Ein Dorf in den Abruzzen. Die Unrra in Italien." 16.1.1959). Es zeigt sich, wie den Schülern auch das Bewusstsein dafür vermittelt wird, dass der moderne Wohlfahrtsgedanken politische Solidarität braucht.

Das europäische Reisegepäck der Generation "Schulfunk"

Seit den Tagen der "Generation Schulfunk" haben sich nicht nur die Bildungsbedingungen grundlegend gewandelt, sondern auch das Europabild. In der Schulfunk-Reihe "Europa" stand noch das authentische und ursprüngliche Europa im Mittelpunkt. Dessen Vielfältigkeit und die jeweilige Unterschiede machten es interessant.

Diesen Reichtum an Andersartigkeit der europäischen Länder konnte die Bevölkerung im Nachkriegsdeutschland oft nur in der über das Radio vermittelten Reise erfahren. Erst mit steigendem Wohlstand konnte man sich nach und nach auch selbst auf den Weg über die europäischen Grenzen machen und die radiovermittelten Bilder mit den eigenen Erlebnissen vor Ort zusammenbringen. So entstehen bis heute immer neu unsere Vorstellungen vom europäischen Nachbarn, medienvermittelt und durch persönliche Kontakte.

Eine Gesprächsrunde. v.l.: Walter Menningen, Horst Seifert, Ingrid Lorenzen, Rüdiger Proske und Helga Norden. (1960) © NDR

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