"Die Nordschau" - das Fenster zum Norden
Neu im Fernsehen war das Magazin-Format der "Nordschau". Auch die anderen Rundfunkanstalten erprobten damals diese Möglichkeit, vielfältige Themen und unterschiedliche Formen wie Gespräche, Berichte und Übertragungen zusammenzubringen.
Doch speziell die vom NDR konzipierte "Nordschau" und das parallel vom WDR entwickelte Magazin "Hier und heute" wurden die Flaggschiffe dieses neuen Fernsehformats. Der Anspruch des neuen Formats war ein journalistischer, doch die Präsentationsform - auch mit viel Platz für Unterhaltung - sollte aufgelockert sein.
Die Heringskönigin und Elvis Presley
Das Spektrum dessen, was die "Nordschau" ihren Zuschauerinnen und Zuschauern bot, war breit. Allein die Durchsicht der im Archiv noch erhaltenen Magazin-Beiträge aus den frühen Jahren zeigt die bunte Mischung der Themen. Dazu gehören beispielsweise Erfolge bei der Pferdezucht, Maßnahmen gegen die Obstschwemme, der Wiederaufbau im bombenzerstörten Hannover und das in Hamburg liegende Segelschulschiff "Albatros". Gespräche mit Politikern über aktuelle Probleme wurden jetzt selbstverständlich vor Ort aufgenommen, beispielsweise in einem Bauernhaus in der Lüneburger Heide oder in einer Gaststätte in Rendsburg. Filmberichte zeigten den Besuch von Bundespräsident Heuss in Hamburg ebenso wie die Inthronisation der "Heringskönigin".
Ein Beitrag, der sich in den Unterlagen findet, hat damals sicherlich die Herzen speziell der jugendlichen Zuschauerinnen und Zuschauer höher schlagen lassen: der knapp 20-minütige Bericht vom 2. Oktober 1958. In der Datenbank heißt es lakonisch: "Elvis Presley kommt mit amerikanischem Truppentransporter 'General Randal' in Bremerhaven an. Militärpolizisten drängen Menschenmenge zurück. Rock and Roll-Tänzer. / Plattenspieler auf Straßenpflaster." Die Bilder von der jubelnden Menschenmenge über die Ankunft des "King of Rock’n’Roll" und amerikanischen GIs Elvis Presley am Tag zuvor gehören mittlerweile zum kulturellen Gedächtnis. Die "Nordschau" lieferte sie zum ersten Mal nach Hause.
"Wer kennt sich aus bei uns zu Haus?"
Die Themenpalette der "Nordschau" reichte von Kultur bis Politik. So gab es regelmäßig einen "Norddeutschen Kulturkalender" im Programm. Ein Quiz testete das heimatkundliche Wissen. Im "Norddeutschen Kaleidoskop" wurden Städtemannschaften gefragt: "Wer kennt sich aus bei uns zu Haus?". Die Bilder des Ratespiels kamen zum Teil unter Mitwirkung von Filmamateuren aus der Region zustande.
Hoch politisch und brisant hingegen wurde es in der Reihe "Jenseits der Zonengrenze". Ab März 1958 berichtete der Journalist Thilo Koch in der "Nordschau" über Aktuelles jenseits der östlichen Landesgrenze, bemüht um Objektivität, ohne die Rhetorik des Kalten Krieges. Die Sendereihe des Regionalprogramms wechselte nach dem Mauerbau 1961 als eigenständige Sendung ins ARD-Programm mit dem Titel "Diesseits und jenseits der Zonengrenze".
Publikumslieblinge der "Nordschau"
Schließlich wartete die "Nordschau" noch mit zwei Sendereihen auf, die sich in Kürze zu wahren Publikumslieblingen entwickelten: "Die Sportschau der Nordschau" und "Die Aktuelle Schaubude".
Von Anfang an war Sport ein wichtiges Element im Magazin. Die Ergebnisse von Sportkämpfen gehörten am Wochenende zu den wichtigen Meldungen. Gelegentlich wurden auch ganze Spiele unter dem Label "Die Sportschau der Nordschau" übertragen. Dafür wurde Sendeplatz im Nachmittagsprogramm des bundesweit ausgestrahlten Fernsehprogramms zur Verfügung gestellt.
Als regelmäßige Reihe bildete sich schließlich am Montagabend die "Sportschau der Nordschau" heraus. Sie wurde ein Vorläufer der 1961 gestarteten "Sportschau" und brachte die neuesten Berichte aus der Welt des Sports: Fußball, Leichtathletik, Hallenhandball oder selbst Rugby.
Der zweite Publikumsliebling hatte bereits am 7. Dezember 1957 Premiere: "Die Aktuelle Schaubude". Vorbild war die US-Serie "New York today". Im "gläsernen Studio" in der Dammtorstraße, einem Hamburger Autosalon, entfaltete die aktuelle und kurzweilige halbstündige Sendung mit Moderator Werner Baecker eine besondere Anziehungskraft. Zuschauer drängten sich an den Studioscheiben und beobachteten, wie Fernsehen gemacht wurde. Stars und solche, die es werden wollten, folgten gern der Einladung zum netten sonnabendlichen Gespräch und Auftritt am frühen Abend. Eine Kultsendung des NDR war geboren.
Das Erfolgsrezept
Den Erfolg, den NDR Intendant Walter Hilpert dem Gründer der "Nordschau" Rüdiger Proske bescheinigte, hatte gleich mehrere Gründe. Die Tatkraft seines Initiators war ein Grund, denn Proske verstand es, eine journalistisch profilierte Mannschaft um sich zu scharen. Zum "Stab Proske", wie es im militärischen Ton damals hieß, gehörten eine Redaktionsstaffel um Hans-Heinrich Isenbart, Eberhard Freudenberg und Jürgen Möller sowie eine Produktionsstaffel um Carsten Diercks, Hans Gertberg und Max H. Rehbein.
Hinzu kam, dass die "Nordschau" von Anfang an eingebettet war in den Aufbau der großen Abteilung "Zeitgeschehen". Mit großer finanzieller Anstrengung stellte der NDR damals in der zweiten Hälfte der 50er-Jahren entscheidend die Weichen. Das Ziel: Fernsehen sollte - wie vorher das Radio - zur kritischen Meinungsbildung beitragen. Das regionale Magazin "Die Nordschau" war bewusst ein Teil der allgemeinen deutschland- und weltweiten journalistischen und fernsehdokumentarischen Arbeit des NDR.
Aus dieser Abteilung "Zeitgeschehen" erwuchsen bald die neuen Formen des investigativen Journalismus, die in den 60er-Jahren für Aufmerksamkeit sorgen sollten, darunter das Politmagazin "Panorama". Und die "Nordschau" wurde in der Programmgeschichte des NDR zum Vorbild für die Regionalmagazine.
- Teil 1: Gelungener Auftakt
- Teil 2: Neues Magazin-Format