Die "kleine Tagesschau" des Nordens
Das Format war rasch gefunden. Die bewährte Tagesschau-Länge von 15 Minuten, darin ein Magazinformat aus Berichten, Reportagen und Interviews einerseits sowie kompakten Nachrichtenblöcken andererseits. Inhaltlich möglichst alles auf den Norden bezogen, das Wichtigste aus Deutschland und der Welt gegen Ende der Sendung. Und natürlich das Wetter von Borkum bis Usedom, von Flensburg bis Göttingen. Also alles ganz einfach, zumal ja die Landesprogramme die entsprechenden Beiträge schon vorliegen haben und die Redaktion lediglich ein "Best of“ zusammenstellen muss.
Eben nicht. Erstens haben viele Zuschauerinnen und Zuschauer bereits die regionalen Magazine am Vorabend gesehen, und zweitens ist die länderspezifische Gewichtung längst nicht deckungsgleich mit der Bedeutung eines Themas für den ganzen Norden. Trotzdem soll das Wichtigste vom Tage gebracht werden. Also gibt es zu den tatsächlichen oder vermeintlichen Top-Nachrichten möglichst aktuelle Fortschreibungen, sinnvolle Hintergrundinformationen und gezielte Schwerpunkte. Die Nachrichtenblöcke sollen, so gut es geht, zur Vollständigkeit des Angebotes beitragen. Zusammengehalten von einer Moderatorin oder einem Moderator mit zum Teil gewollt markanten, aber auch sehr unterschiedlichen Stilen.
Blieb die Frage des Sendeplatzes, also der Uhrzeit. Hier galt: wenn schon, denn schon. Auch um 21.45 Uhr hat der NDR auf die Akzeptanz des regionalen Ansatzes vertraut und war sich ziemlich sicher, die Konkurrenz zum "heute journal“ im ZDF aushalten zu können. Vielleicht nicht gerade locker, aber letzten Endes schon.
Und warum Hannover?
Schwieriger und strittiger als alle Programmfragen war die Entscheidung für den Standort Hannover, also die Anbindung von NDR aktuell um 21.45 Uhr an das hier ansässige Landesfunkhaus. Natürlich hätte es sehr, sehr nahe gelegen, die neue Sendung in die Hände der erfolgreich arbeitenden Hamburger Redaktion für Aktuelles zu geben. Niemand hätte sich gewundert.
Hannover lag – zumindest aus Hamburger Sicht - ferner, aber eben in Niedersachsen. Und damit ging es um strukturelle Überlegungen, über die sich eigentlich auch niemand wundern sollte. Denn schon immer hat der NDR aus guten Gründen das größte Staatsvertragsland gezielt und besonders aufmerksam behandelt – ohne anderen etwas wegzunehmen. Schließlich kommen aus Niedersachsen mehr als die Hälfte aller Rundfunkbeiträge des NDR. Eben deshalb haben in Hannover zum Beispiel die NDR Radiophilharmonie, die Volontärsausbildung oder die Redaktion "Das Kulturelle Wort“ ihren Sitz, eben deshalb wurde hier vor einigen Jahren die Koordination der damals neu eingeführten Sendeleiste um 18.15 Uhr angesiedelt. Die Platzierung der zuständigen Redaktion für NDR aktuell um 21.45 Uhr in Hannover steht somit eindeutig in der Kontinuität strategischer Entscheidungen des NDR. Die sind oft nicht einfach, aber wichtig. Übrigens bedarf es für vernünftige, professionelle Überlegungen dieser Art keiner Anstöße von außen.
Die Sendung ist schon längst nicht mehr neu. Außerdem wirkte sie von Anfang an so, als hätte es sie schon immer gegeben – trotz eines eigenständigen, unverkennbaren Profils. Und alle im NDR machen gerne mit, in Kiel, Schwerin und in Hamburg, besonders die Zuschauerinnen und Zuschauer. NDR aktuell um 21.45 Uhr wird sehr gut angenommen, ein Marktanteil ist mehr als zufriedenstellend. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk verlässt sich nämlich gerne auf den Publikumsjoker.
- Teil 1: Was heißt eigentlich „regionale Kompetenz“?
- Teil 2: Wie soll das denn aussehen?