Stand: 14.09.2012 14:13 Uhr

Egon Monk und die "Hamburgische Dramaturgie"

In Hamburg war man auf der Suche nach neuen künstlerischen Kräften. Intendant Walter Hilpert und Hörfunk-Programmdirektor Hans Arnold holten Egon Monk zum NDR. Ende 1957 begann er als Dramaturg in der Hauptabteilung "Hörspiel und Dramaturgie" von Heinz Schwitzke. Die NDR Leitung aber setzte höhere Erwartungen in den Brecht-Schüler. Schon wenig später erhielt Monk den Auftrag, eine neue zentrale Fernsehspielabteilung aufzubauen.

Den Hintergrund bildete die Neuordnung des Fernsehbetriebs 1960/61 am Hamburger NDR Standort. Bis dahin teilten sich der norddeutsche Sender und der WDR die Anteile am NWRV, dem "Nord- und Westdeutschen Rundfunkverband". Jetzt wurde diese Organisationsform dadurch aufgelöst, dass ein Fernsehbetrieb in Köln aufgenommen wurde. Während der NWRV von Hamburg aus 50 Prozent zum ARD-Programm beigesteuert hatte, musste er seit 1962 nur noch 20 Prozent zuliefern. Dies eröffnete die Möglichkeit, sich auf einzelne Fernsehprojekte zu konzentrieren und vor allem die Qualität der Produktionen zu steigern. Eine ideale Ausgangssituation, die der junge Monk nutzte.

Engagierte Weggefährten

Szene aus "Ein Tag": Bericht aus einem deutschen Konzentrationslager 1936 © NDR
Dreharbeiten des Films "Ein Tag: Bericht aus einem deutschen Konzentrationslager". In der Mitte Regisseur Monk.

Sein Arbeitspensum war gewaltig. Egon Monk führte in einer ganzen Reihe von wichtigen Fernsehspielen selbst Regie, etwa in "Anfrage" (1962), "Schlachtvieh" (1963), "Mauern. Von Vätern und Söhnen" (1963), "Wilhelmsburger Freitag" (1964) und "Ein Tag. Bericht aus einem deutschen Konzentrationslager" (1965). Vor allem aber ermöglichte er als Hauptabteilungsleiter die Produktion von Fernsehspielen, indem er immer wieder neue interessante Drehbuchautoren und Regisseure um sich scharte. Der Ensemble-Gedanke eines Bertolt Brecht stand für das Produktionsteam um Monk ganz offensichtlich Pate.

Zu diesem "Hamburger Ensemble" gehörte Christian Geißler, ein politisch reger Zeitgenosse, wie Monk ein Angehöriger der Flakhelfer-Generation, der soeben mit seinem kleinen Roman "Anfrage" die sogenannte ‚Abrechnung mit den Vätern‘ angestoßen hatte. Er lieferte aggressive gesellschaftskritische Drehbücher, die eine ernüchternde Bestandsaufnahme der noch jungen Bundesrepublik vornahmen. Oder der Schriftsteller Horst Lommer: Mit dem vom Kabarett kommenden Lommer und dem Regisseur Peter Beauvais entstand ab 1962 eine Reihe von gesellschaftlichen Fernsehkomödien, die auf unterhaltsame Weise bundesdeutsche Wirklichkeit präsentierte.

Mit Claus Hubalek holte Monk einen Weggefährten aus dem Brecht-Ensemble nach Hamburg. Hubalek, einige Zeit Chefdramaturg beim NDR, sorgte vor allem mit seinem Fernsehspiel "Stalingrad" (1963) für eine Kontroverse über das Verhalten der Deutschen Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg. Ein Jahr vorher hatte auch die Produktion "Die Revolution entlässt ihre Kinder" für Debatten und Auseinandersetzungen gesorgt. Den autobiografischen Bestseller von Wolfgang Leonhard über die Exilerfahrungen eines Kommunisten setzten Hubalek als Drehbuchautor und Rolf Hädrich  als Regisseur um.

Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn. © NDR
Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn.

Schließlich gingen von Monks Fernsehspielabteilung zwei maßgebliche Impulse für die weitere Fernsehgeschichte aus. Den jungen, für "Panorama" tätigen Journalist und Dokumentarfilmer Klaus Wildenhahn ermutigte Monk, erste längere Filmarbeiten zu unternehmen. Das Gleiche galt für Eberhard Fechner, den Monk im Dezember 1965 als Redaktionsassistenten zu sich holte. Zunächst entstanden Gaunerkomödien wie "Selbstbedienung" und "Volksstücke" wie "Vier Stunden von Elbe 1", bevor 1969 mit "Nachrede auf Klara Heydebreck" der erste dokumentarische Erzählfilm Fechners folgte.

Nähe und Zusammenhalt

Zwei Hamburger Orte waren für all diese Teamarbeit maßgeblich - Monks Büro in Tonndorf und seine Wohnung im Stadtteil Rotherbaum. Mit Begeisterung erinnert sich Monks Ehefrau Ulla, wie in den 1960er-Jahren viele kreative junge Leuten oft bis spät in die Nacht bei den Monks über Filme und Fernsehen, über Gesellschaft und Politik diskutierten. Zu den bereits genannten gehörte auch Joachim C. Fest, ein Freund aus der Berliner Zeit, der mit nach Hamburg gewechselt war und als Redakteur beim NDR Fernsehen zu arbeiten begann.

Den zweiten Ort bildete Monks Büro. Dieses befand sich jedoch weder auf dem NDR Fernsehgelände in Lokstedt noch bei der Direktion in der Rothenbaumchaussee. Monk hatte sich durchsetzen können und es mitten auf dem neuen Produktions- und Studiogelände von "Studio Hamburg" angesiedelt. Diese strategische Entscheidung symbolisierte das, was die Arbeit seiner Abteilung in besonderer Weise auszeichnete - die unmittelbare Nähe von Redaktion und Produktion sowie das enge Miteinander der vielen an den Fernsehspielen beteiligten Mitarbeiter.

So entstanden zwischen 1960 und 1968, als Monk die Intendanz des Hamburger Schauspielhauses übernahm, rund 150 Fernsehspiel-Produktionen. Viele davon gehören zu den Highlights der bundesrepublikanischen Fernsehgeschichte und bilden das, was man bis heute als "Hamburgische Dramaturgie des Fernsehspiels" bezeichnet.

Nachruf
Schwarzweißaufnahme von Egon Monk
3 Min

Zum Tod von Egon Monk

Eine Würdigung von Leben und Werk von Regisseur Egon Monk anlässlich seines Todes am 28.2.2007 in Hamburg. 3 Min

Eine Gesprächsrunde. v.l.: Walter Menningen, Horst Seifert, Ingrid Lorenzen, Rüdiger Proske und Helga Norden. (1960) © NDR

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