Briefauszüge zum Florentiner Mann
Hermann und Maria Blumenthal zum Florentiner Mann (1936-1937)
Das zweite Italien-Stipendium erhielt Blumenthal 1936. Er reiste damals zusammen mit seiner Ehefrau Maria nach Rom und Florenz. Maria begleitete stets die künstlerische Arbeit ihres Mannes. Sie notierte später in persönlichen Aufzeichnungen über die Zeit in Rom:
"1936/37 während seines zweiten Rom-Aufenthaltes glücklich, daß die Gewalt der Ewigen Stadt mit ihren überwältigenden Kunstschätzen dieses Mal nicht mehr durch ihr Übermaß an Eindrücken verwirrend, sondern nur noch beglückend war – arbeitete er schweigend trotz Hitze und Chircco zweimal täglich nach Modell. Die anderen Stipendiaten unternahmen Ausflüge, genossen das gesellschaftliche Rom, er war selig, weil er endlich nach der Natur bilden konnte, soviel der wollte. 'Der Hockende' [Campagnahirt], der 'Sterngucker', der lebensgroße ‚Römische Mann‘ [...] künden von jener beseligten Zeit."*(1)
Hermann Blumenthal an Georg Kolbe
"Sehr verehrter Herr Professor Kolbe. Ich möchte Ihnen hiermit für Ihre gute Auskunft an den Vorstand der Villa Romana e. V. und Ihre Benachrichtigung an mich herzlich danken. Ihre Auskunft hat mich sehr froh gemacht. Ich wünsche mir nur, weiterhin regelmäßig nach der Natur arbeiten zu können, dann glaube ich, das allmählich formen zu können, was mir vorschwebt. Herr Dr. Simon teilte mir inzwischen mit, dass ich für drei Monate freie Wohnung und Atelier sowie 150 RM pro Monat erhalte. Ich bin sehr glücklich, dass ich meine Arbeitszeit in Italien noch nicht abzubrechen brauche. Mit den besten Grüßen und Wünschen für Sie, Ihr sehr ergebener Hermann Blumenthal."*(2)
Maria Blumenthal über den Aufenthalt in Florenz (1937)
"Danach in Florenz unter klimatischen Verhältnissen (von Anfang Juli bis Ende September), die den sensiblen, unter Hitze maßlos leidenden Mann fast mordeten, arbeitete Blumenthal mit einer geradezu unheimlichen Kraft und Intensität. Das Modell lief davon, er holte sich unter großen Schwierigkeiten ein neues, wurde von diesem erpreßt, zahlte und werkte wie ein Rasender, in der Seele wie böse Krallen schon wieder die Angst, daß in bälde in Deutschland daheim kein Geld mehr dafür sein würde. – Vielleicht war schon damals in ihm der allzu frühe Tod beschlossen und trieb ihn an. In Rom begann es, und in Florenz wurde es zuweilen zu einem Gesicht, daß er in der Zeit stand wie einer, der in ihr nicht mehr zu Hause ist."(3)
Als Hermann Blumenthal 1937 aus Florenz zurückkehrte, wurde das Gipsmodell des Florentiner Mannes in die Berliner Klosterstraße transportiert. Er arbeitete in der Ateliergemeinschaft bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht 1940. Seine Freunde, der Bildhauer Ernst Krause und der Maler Werner Held beschreiben ihn und das Leben dort aus der Erinnerung.
Blumenthals Künstlerkollegen über den Bildhauer
Ernst Krause über Blumenthal und die Klosterstraße (1936–1940)
"Ich war 1936 aus Paris zurückgekehrt und bekam ein Atelier in der Klosterstraße 75. Eigentlich war es ein halbes, denn man hatte für die Jüngeren mittels einer Trennwand aus Leisten und schwarzer Leinwand aus einem großen zwei kleinere gemacht. [...] Schräg gegenüber, auf der gleichen Etage, hatte Hermann Blumenthal, der Bildhauer, sein Atelier. Ich glaube, daß er ausnahmslos von allen im Haus nicht nur geschätzt, sondern auch geliebt wurde. Er war von mächtiger Statur, ein lächelnder Riese, der wenig sprach, aber geduldig zuhören konnte. Ich war von Anfang an von seinen Bronzen und vom Charme seiner kleinen Aktzeichnungen fasziniert. Sie waren wie er und er war wie sie: zurückhaltend, lieber schweigend als laut gestikulierend, andeutend, nie ganz aussprechend und doch klar und frei von schönem Beiwerk. Hermann Blumenthal war zweifelllos künstlerisch die stärkste Persönlichkeit der 'Klosterstraße'."*(4)
Werner Heldt über Blumenthal und die Klosterstraße (1937–1940)
"In unserem Atelierhaus in der Altberliner Klosterstraße lag Blumenthals Atelier gegenüber dem meinen. Oft, des Abends nach der Arbeit, gingen wir zu Firenze, unserem italienischen Stammlokal. Gilles war dabei und Ludwig Kasper. Mit Chianti betäubten wir unser Heimweh nach dem Mittelmeer, während rings um uns das Dritte Reich brandete. [...] Blumenthal, groß, stark und massig, er hatte ein herrliches Lachen. [...] Jeden Morgen erschien er pünktlich im Hause zur Arbeit. Man konnte sagen, zum Dienst. Einer von denen, die dienen können, Ehrfurcht vor den Dingen haben. Solche Frömmigkeit schlägt sich dann auch im Werk nieder und verleiht ihm Dauer. Er hatte es nicht leicht. Ungewandt, von empfindlicher Rechtlichkeit, bei Begegnung mit Niedrigem errötend, fand er sich häufig schwer in praktische Notwendigkeiten. Man musste ihn liebhaben, weil er aufrecht und tapfer, oft hilflos war, unfähig jeder Art von Intrigen. Seine ganze Kraft galt der Arbeit."*(5)
Blumenthal an seine Frau Maria, Feldpost, 22. April 1942
"Ich habe hier einen jungen Burschen kennen gelernt, besser gesagt, gefunden. Er ist vielleicht ein 18-jähriger Russe. Ich könnte ihn gut für meinen Florentiner Mann gebrauchen. Er hat eine ähnliche Figur. Ich möchte ihn am liebsten mit nach Berlin nehmen. Er ist ein Prachtkerl […]."*(6)