Abstrakte Kunst für den NDR
Ulrich Beier schuf 1963 als Auftragswerk für den NDR die Freiplastik Triade (griechisch: Dreiheit). Das Bronzeobjekt von sechs Metern Umfang und anderthalb Metern Höhe besteht aus drei sich stark ähnelnden Elementen. Beim Umschreiten sind immer zwei von ihnen zu sehen, das dritte bleibt fast vollständig verdeckt. Ohne erkennbare Basis lagert die abstrakte Figur, umgeben von Vegetation, auf dem NDR-Gelände in Hamburg-Harvestehude.
Die Außenflächen der Segmente sind leicht konvex gewölbt, ihr Umriss durchgehend geschlossen. Am oberen Rand ragt mittig jeweils eine Spitze empor. Die voluminöse Gesamtform erinnert an einen abstrakten Busch. Diesen Eindruck verstärken der Standort im Beet sowie die grüne Patina der Bronze. Auch bestätigt er sich bei näherer Betrachtung, denn die Verstrebungen im Innern der Plastik ähneln Ästen und Zweigen.
Idee der Gestaltung – schwebende Formen
Das Städtische Museum Flensburg stellte 1962 ein farbig gefasstes Gipsmodell von Ulrich Beiers Triade aus.*(1) Am Entwurf wird die Idee der Gestaltung erkennbar: Die blattartigen Schalen der Plastik stehen auf dünnen Stelzenbeinen, die optisch in Beziehung zu den Objektspitzen treten. Im Gegensatz zu der heute sichtbaren Präsentation des Werkes bewirkt diese Komposition einen völlig anderen Eindruck: den der Leichtigkeit, den des Emporschwebens oder Emporwachsens abstrakter, pflanzlicher Formen.
Zwischen Natur und Technik
Die historische Fotografie zeigt, dass Beier diese Idee in der Umsetzung von Modell zu Freiplastik beibehielt. Hier steht die Triade auf einer Terrasse zwischen Häuserfassaden – genau an dem Standort, für den sie entworfen wurde. Auf dem steinigen Gelände tritt der Natureindruck zurück und das linke Element erinnert in der perspektivischen Verkürzung an eine Parabolantenne. Damit wird die Triade eine Vexierskulptur, changierend zwischen pflanzlicher und technischer Form.*(2)
Blickfang und Sichtachse
Als baugebundenes Auftragswerk war der Standort der Triade zwischen drei u-förmig gelegenen Häuserriegeln festgelegt (gelber Pfeil).*(3) Beier reagierte in seiner Gestaltung auf diesen Ort und entwarf die Triade als Blickfang und Sichtachse. Neben einem attraktiven und abwechslungsreichen Kunstwerk inmitten des kühlen Betons, fungierte sie als Bindeglied zwischen dem grünen Landschaftspark am Mittelweg und den Häuserblöcken an der Rothenbaumchaussee. Seit 1977 verstellte ein neues Gebäude die Sichtachse, aber erst in den 1990er Jahren wurde die Plastik in Richtung Mittelweg an ihren heutigen Standort versetzt.*(4)
Anregung aus dem Ausland
Beier bezog aber nicht nur das Gelände und die Funktion des Hauses als Sendeanstalt in seine Überlegungen ein. In der Formfindung sprachen auch zeitgenössische internationale Tendenzen mit. Wegweisende Neuerungen auf dem Gebiet der Plastik kamen seit den 1950er Jahren aus England, zum Beispiel von dem Bildhauer Lynn Chadwick.*(5) Obwohl Beier bei der Triade eckige Formen mied und somit eine andere Gesamtwirkung erzielte, ist die Anleihe bei Chadwick unübersehbar, denn seine Plastiken haben ein charakteristisches Merkmal: Die voluminösen abstrahierten Körper lagern jeweils auf dünnen Stelzenbeinen.*(6)
Ein modernes Auftragswerk
Der Auftrag für die Triade wurde in Zusammenhang mit einem Erweiterungsbau vergeben und war Teil der obligatorischen Kunst am Bau.*(7) Den Kontakt zu Ulrich Beier vermittelte der Kritiker Hanns Theodor Flemming, der den NDR in den 1960er und 1970er Jahren in Kunstfragen beriet. Flemming sorgte vorwiegend für die Anschaffung abstrakter Werke und unterstrich damit nicht nur die Modernität des Senders, sondern setzte zugleich ein politisches Zeichen für Freiheit und Demokratie.*(8)