… auf den Spuren Blumenthals im Norden
Zwei lebensgroße Figuren von Hermann Blumenthal stehen im öffentlichen Raum im Norden: der Florentiner Mann und der Römischen Mann. Die Hamburger Galerie Rudolf Hoffmann vermittelte in den 1950er Jahren die Ankäufe und stellte das Gesamtwerk aus. Damals war der Bildhauer für kurze Zeit sehr präsent in der Kunst- und Kulturwelt der Hansestadt.
Hamburger Kunsthalle: Heise, Hentzen und Isermeyer
Gleich drei einflussreiche Förderer des Bildhauers ließen sich nach 1945 in der Hansestadt nieder: Carl Georg Heise kaufte während seiner Amtszeit als Direktor der Hamburger Kunsthalle (1945–1955) den Großen Schreitenden. Er erwarb die Plastik 1947 noch von Maria Blumenthal, der Witwe des Künstlers. Alfred Hentzen kaufte in seiner Zeit als Leiter des Hauses (1955–1969) eine weitere Figur aus der Reihe der Jünglinge, die den irreführenden Titel Die Spinne trägt.
Den Ankauf ermöglichte Christian-Adolf Isermeyer, Privatdozent am Kunsthistorischen Institut in Hamburg, der den Nachlass bewahrte.
Die gemeinsamen Bemühungen der drei Kunsthistoriker, die in den 1930er Jahren alle mit Blumenthal bekannt und befreundet waren, gipfelten 1954 in einer mehrwöchigen Präsentation des Florentiner Mannes in der Hamburger Kunsthalle. Die Plastik wurde äußerst repräsentativ mehrere Wochen lang in der Eingangshalle aufgestellt, wo alle Besucher sie sehen konnten. Von dort aus trat die Bronzeplastik ihren Weg nach Washington an.
Die Inszenierung der Figur – auf hohem Marmorsockel - besuchte auch der damalige Bundespräsident Theodor Heuss während eines zweitägigen Staatsbesuches.
Hörfunk und Fernsehen berichten – der NWDR erwirbt den Florentiner Mann
Sowohl das Hamburger Abendblatt als auch der NWDR berichteten während dieser Zeit über den Florentiner Mann. Diese hohe Medienpräsenz und das große öffentliche Interesse beförderten die Popularität von Blumenthal und führten zum Ankauf eines weiteren Abgusses durch den NWDR.
Über die Hintergründe schreibt Isermeyer am 28.09.1954: „Gerade heute ist die schöne Figur [der Florentiner Mann], die als Dankspende des deutschen Volkes nach Washington gehen soll, in der Kunsthalle aufgestellt worden, wo sie bis Mitte Oktober, dem Termin ihrer Verschickung, bleiben soll. Im ‚Echo des Tages‘ des NWDR haben wir aus Anlass der Aufstellung heute eine Reportage gemacht und wahrscheinlich wird am 12. oder 15. Oktober, wenn Prof. Heuss nach Hamburg kommt und bei dieser Gelegenheit die Figur besichtigen wird, noch eine Fernsehsendung gemacht.“*(1) Das Medienecho führte dazu, dass auch andere Institutionen den Florentiner Mann erwerben wollten.
Universität Kiel erwirbt den Römischen Mann
Das Interesse am Florentiner Mann war so groß, dass der Hamburger Galerist Rudolf Hoffmann im Auftrag der Universität Kiel versuchen sollte, den NWDR umzustimmen, dass dieser „statt des von ihm angekauften großen Knieenden eine andere Figur zur Aufstellung vor seinem neuen Gebäude wähle“. In einer Kieler Zeitungsumfrage hatte sich das Studierendenparlament „für den Knienden entschieden […] und für ihn erheben sich ja auch sonst die meisten Stimmen“. Es kam zu „Verhandlungen zwischen dem Rektor der Universität Kiel und dem Generaldirektor des NWDR“*(2). Der NWDR ließ sich jedoch nicht umstimmen und die Universität Kiel erwarb schließlich den Römischen Mann.
Blumenthals Porträtkunst im Max-Planck-Institut
Eine Porträtbüste des Rechtsgelehrten Ernst Heymann (1870 - 1946) besitzt das am Mittelweg gelegene Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht. Das Forschungsinstitut hatte in den 1930er Jahren als Kaiser-Wilhelm-Institut seinen Sitz in Berlin. Gezwungen durch die Auswirkungen des Krieges wurde das Institut evakuiert und fand in Tübingen ein Zwischenquartier, ehe es 1956 – seit 1949 als Teil der Max-Planck-Gesellschaft – nach Hamburg übersiedelte. Den Standortwechsel nahm Herbert Gieseke, in den 30er Jahren Dekan der juristischen Fakultät der Universität Berlin, zum Anlass, nach der verschollenen Büste von Prof. Ernst Heymann, die er noch bei Blumenthal persönlich in Auftrag gegeben hatte, zu forschen. In der Berliner Nationalgalerie hatte sich ein Gipsmodell erhalten, von dem das Institut einen Abguss herstellen ließ.*(4) Heymann war 1937 von den Nationalsozialisten als Nachfolger von Ernst Rabel, dem Gründer des Instituts installiert worden. Rabel war zuvor, aufgrund seiner jüdischen Herkunft, der NS-Verfolgung zum Opfer gefallen. Er wurde aus dem Amt gedrängt und zur Emigration gezwungen. Heute befindet sich die Heymann-Büste im Depot des Instituts. Zum 100-jährigen Gründungsjubiläum 2026, wäre eine erneute Präsentation, verbunden mit einer umfassenden Kontextualisierung zur Rolle des Rechtsgelehrten im Nationalsozialismus, denkbar.*(5)
Bremer Galerist zeigt Blumenthal im Norden
Der Bremer Galerist und Kunsthändler Wolfgang Werner widmete sich ab den 1960er Jahren dem Werk Blumenthals. Er zeigte in seiner Galerie regelmäßig Blumenthal-Figuren in Einzel- und Gruppenausstellungen, zuletzt in der Berliner Dependance an der Fasanenstraße 2022. Zu den Ausstellungen publizierte Werner Kataloge mit denen er unter anderem erstmalig auf Radierungen Blumenthals aufmerksam machte. Die Galerie trug dazu bei Blumenthals Werk, in kleinem Rahmen, – aber stetig – vor dem Vergessen zu bewahren. Denn in den Museen der Bundesrepublik spielte die menschliche Figur in der Plastik seit dem Vordringen der abstrakten Kunst für viele Jahre kaum mehr eine Rolle. Das hat sich in jüngster Zeit geändert. Das Interesse steigt.