Ein Denkmal für Heinrich Hertz

von Andrea Völker

Dem Hamburger Physiker Heinrich Hertz (1857-1894) sollte als Entdecker der elektromagnetischen Wellen in seiner Heimatstadt ein Denkmal gesetzt werden. Friedrich Wield erhielt 1931 den öffentlichen Auftrag, das Denkmal umzusetzen, heute als Ätherwelle bekannt.*
Die Plastik stellt eines der Hauptwerke seines Œuvres dar. Zu diesem Zeitpunkt war Wield bereits ein bekannter und angesehener Bildhauer. Wie wichtig die Ätherwelle für den Künstler war, lässt sich vielen seiner Briefe entnehmen.

VIDEO: Rundumansicht der "Ätherwelle" von Friedrich Wield (1 Min)

 

Elektromagnetische Wellen als Skulptur

Das "Hertz-Denkmal“ zeigt jedoch kein Porträt seines Namensgebers. Die Ätherwelle ist die figürliche Umsetzung eines abstrakten Phänomens. Zwei menschliche Figuren - Mann und Frau - symbolisieren die fließende Bewegung elektromagnetischer Wellen, auch als Entstehung des elektrischen Funkens aus einer Wolke aufgefasst. Obwohl beide Figuren im Material der Bronze statisch verbunden sind, streben sie in den Bewegungen ihrer Körper auseinander. Die Plastik bildet ein eindrucksvolles Zusammenspiel aus Statik und Dynamik, An- und Entspannung, Anziehung und Abstoßung.

 

Weibliche Figur

Die Bronze lagert auf einem roten Backstein-Sockel. Aus einer organischen Form löst sich der Körper einer weiblichen Gestalt. Kauernd sind ihre Knie eng an den Körper gezogen. Lediglich die Füße überragen rückseitig die amorphe Form. Der Oberkörper hat sich in den freien Raum gelöst und strebt bogenförmig gen Boden. Ihr rechter Arm ist ausgestreckt und skizziert die Bewegung einer brechenden Welle. Das Handgelenk markiert durch einen Richtungswechsel die vermeintliche Gischt. Gleichzeitig umfasst ihr linker Arm schützend den leicht geneigten Kopf und wiederholt die Bewegung. Mit geschlossenen Augen und entspannten Zügen stellt sich der ruhige Ausdruck des Gesichts dem körperlichen Antrieb entgegen. Angewinkelte Schenkel, Schienbeine, ausgestreckte Arme oder die klar definierte Wirbelsäule weisen dynamische Bewegungslinien aus. Füße und Hände begrenzen den Fluss, dienen als "Wellenbrecher“ und bremsen die vermeintliche Vorwärtsbewegung. Massig türmt sich die Kraft der Welle auf, bevor sie in dem abwärts strebenden Arm ihre Erlösung findet. Der nötige Kraftakt der Bewegung wird durch die Herauslösung des Körpers aus der schützenden Form wiedergegeben - eine Welle wird geboren.

 

Männliche Figur

Die Motive der Welle und des Wassers sind eng mit Darstellung beider Figuren verbunden. Die Figur des Mannes wird von der weiblichen getragen. Sein seitlich gedrehter Unterkörper lagert auf ihrer Basis. Der Oberkörper hingegen strebt mit erhobenen Armen empor und hat sich weit in den freien Raum gelöst. Die Beine angewinkelt, die Schienbeine überkreuzt, zieht sich die untere Hälfte seines Körpers zusammen. Der dynamisch-gestreckte Oberkörper bildet den Gegenpol. Die Richtungswechsel in der Wiedergabe des Körpers erinnern an einen Blitz, der wiederum eng mit dem Hertz'schen Funken verbunden ist. Wie ein Schwimmer unter Wasser streckt er den muskulösen Rumpf und seine Arme weit nach vorn. Auch die streng am Körper liegenden, flächig gegebenen Haare lassen an einen Schwimmzug unter Wasser denken. Die angewinkelten Füße wirken wie die Flossen eines Wassermannes. Die erhobenen Hände des Mannes suggerieren etwas Versöhnliches, Bremsendes und gleichzeitig Heroisches.

Anmerkungen

* Ihren Titel erhielt die Skulptur erst später durch den Schriftsteller und Theaterkritiker Hans W. Fischer, mit dem Wield eng befreundet war und im ständigen Briefwechsel stand. Fischer lieh ihm zwischenzeitlich sogar Geld, um die Arbeit am Denkmal weiter fortführen zu können.

 

Blick auf den Haupteingang des Funkhauses an der Rothenbaumchaussee. © NDR Foto: Andrea Völker

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