Briefauszüge zur Ätherwelle

Friedrich Wield schreibt an seinen Freund Hans W. Fischer.

Hans Waldemar Fischer (1876-1945) war ein deutscher Schriftsteller, Kritiker, Übersetzer und Herausgeber. Fischer war Initiator der bekannten Hamburger "Tafelrunde" - ein wöchentliches Treffen von Vertreter*innen aus Literatur, Malerei, Bildhauerei, Musik, Schauspiel, Tanz und Wissenschaft.

 

20. Dezember 1931

"Ich bin ganz geknickt, aber es wird auch diesmal nichts aus dem gemeinsamen Wandern. Ich kann nämlich meine Arbeit, das Heinr.-Hertz-Denkmal in halber Größe, nicht im Stich lassen. Die Arbeit, noch in Ton, muß sehr vorsichtig behandelt werden, da die Komposition es verlangt, daß einige 5-6 Zentner Ton quasi in der Luft hängen und nun ständig die Gefahr vorhanden ist, daß die Anziehungskraft der Erde größer ist als mein Kampf dagegen. […] Vielleicht ginge es im Januar, wenn ich die Figuren eingegipst habe […]."

 

1. März 1933

"Herr Dr. Hans W. Fischer […] hat dem Unterzeichneten ein Darlehen auf sechs Wochen von 350 M […] gewährt, um demselben ein ungestörtes Fortführen seiner Arbeit am Heinr.-Hertz-Denkmal zu gewährleisten."

 

21. April 1933

"Ich habe, da ich nun so weit bin, daß ich meine Arbeit zeigen mag, einige Leutchen eingeladen, sich die Sache mal anzusehen. Aber es wagt keiner zu kommen. Einzig [Gustav] Pauli hat mir sehr nette Worte gesagt. Er meint, es wäre bedauerlich, wenn die Sache nicht aufgestellt würde."

"Ich bin entschlossen, wenn alle Stränge reißen, meinen ganzen Kram zu verkloppen, um mein Tonmodell evtl. auf eigene Kosten in Gips zu vollenden. Ich habe das Gefühl, daß dies eine Pflicht meiner Arbeit gegenüber ist. Sie ist unbedingt das Wertvollere und muß gerettet werden."

 

12. Mai 1933

"Ende April holte mir die Steuer mein letztes Geld weg. Ich hatte dieselbe stunden lassen, und da gab es keine Gnade. […] Vorher hatte ich aber schon Mönckeberg gebeten, sich einmal mit Senator Matthaei (d. i. unser Finanzverwalter) in Verbindung zu setzen und sich zu erkundigen, ob ich überhaupt auf Bezahlung [für die Ätherwelle] rechnen könne. Ich habe ja Vertrag mit der Finanzbehörde. […]
Ich ging dann zu Mönckeberg und erfuhr, daß sozusagen alles zu Ende sei. […] Die jetzige anscheinend richtige Stelle war ein Herr Rose, Adjutant des zweiten Bürgermeisters. […] Bei ihm sei meine Sache vollkommen aussichtslos. Aufstellung verweigert, weil Heinrich Hertz Jude, und Bezahlung verweigert, weil Arbeit nicht mehr gebraucht. Als M[önckeberg] sich auf [Fritz] Schumacher berief, der die Arbeit doch angenommen, sagte der Herr Rose, das wäre an sich schon schlimm, da Schumacher gar nichts beim Senat gelte. Auch sei mein Denkmal überhaupt kein H. H.-Denkmal. […] Ich habe dann mit M[önckeberg] allerlei Möglichkeiten erwogen, um einen Ausweg zu finden. Das einzige […] war ein Bittgesuch an den Senat um Auszahlung des Honorars für eine fast zweijährige Arbeit unter Berufung auf meine kriegerische Tätigkeit […].
Als ich dann zu M[önckeberg] sagte, nun wolle ich wieder zum Arbeiten in die Kunsthalle gehen, rief er ganz erstaunt, was, Sie wollen, noch weiter an der Sache arbeiten? Worauf ich ihm prompt zur Antwort gab, ja, glauben Sie denn, ich lasse meine Arbeit im Stich? Ich arbeite selbstverständlich immer noch an meiner Arbeit und verbessere sie immer mehr. Es wäre ja eine gottverdammte Pflichtvergessenheit gegen meine Begabung, wenn ich sie verkommen ließe. […]
Ich […t]elephonierte […] vorsichtshalber nochmals im Rathaus an. Und siehe da, das Wunder! […D]ie Gelder würden selbstverständlich ausgezahlt, das sei ja alles vertragsgemäß festgelegt […]. Der Herr Rose habe gar nichts mit der Sache zu tun. […] Ich war einigermaßen verblüfft über diese Wendung. Aber da ich einen grausigen Hunger auf warmes Essen hatte, bin ich erstmals in eine Fischbrathalle gegangen und habe mir für 60 Pf einen Bratfisch mit Salat geleistet."

 

14. Juni 1933

"Hier noch keine Entscheidungen. Keiner weiß was. Modell geformt. Form liegt am Boden und kann in Ruhe jüngsten Tag erwarten."

 

11. Februar 1934

"Nach meiner Rückkehr im August stürzte ich mich mit Heißhunger auf meine meiner wartende Arbeit, auf das H. Hertz-Denkmal. Wühlte monatelang mit Wollust in dicken Gipsstaubwolken. […] Und die Einsamkeit oder besser die Zweisamkeit mit der Arbeit war ein langes wunderbares Fest. […]

Dann aber, als Ende November die Tat geschehen, der Wille, der so lange Monate verschleiert und unbewußt in mir gewohnt hatte, realisiert war, Form geworden war, fest, unverrückbare, aber doch schwebende und strömende Form - da setzt das Unbehagen ein. […] Dieses nun in dem unfruchtbaren blöden Warten auf Entscheidung, das ich nun seit langen Wochen treiben muß, weil sich in den Landen kein entschlußkräftiger Mann finden läßt. […] Sterben ist nichts, wie der schillernde Mann sagte, aber mit Banausen verhandeln müssen, das ist ein Unglück."

 

Alle Briefstellen sind zitiert aus:
Hugo Sieker (Hg.): Bildhauer Wield 1880-1940. Ein Gedenkbuch, Veröffentlichung der Lichtwark-Stiftung Hamburg, Bd. 14, Hamburg 1975, S. 40-57.

Die Bronzeskulptur "Ätherwelle" des Künstlers Friedrich Wield am NDR Standort Rothenbaum in Hamburg. © NDR Foto: Marco Peter

Friedrich Wield: Ätherwelle (1931/1988)

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Blick auf den Haupteingang des Funkhauses an der Rothenbaumchaussee. © NDR Foto: Andrea Völker

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