Ringen um den Glauben
"Warum kann ausgerechnet ich nicht mehr sehen? Warum kann mein Mann nicht mehr laufen? Warum wurde mein Kind überfahren?" Solche Fragen werden dem katholischen Priester Manfred Hösl aus Göttingen immer wieder gestellt. Und eine Antwort? "Ein ehrlicher Seelsorger wird keine Antwort geben können. Es gibt keine", sagt er.
Zweifel gehören dazu
Auch in seinem eigenen Glauben gehört für den Jesuiten-Pater der Zweifel dazu: "Glauben und Zweifel sind zwei Geschwister, die eng bei einander liegen." Manchmal fragt er sich: Reicht das, sich auf die Bibel zu verlassen? Gibt es wirklich ein Leben nach dem Tod?
In der heutigen rationalen Welt hat es der Glaube oft schwer, seinen Platz zu finden. Hösls Eindruck ist, dass die Religion insgesamt eine Art Häutungsprozess erlebt. Vor wenigen Generationen hätte man sich etwa ein Leben ohne Glauben kaum vorstellen können. "Das bricht in einer atemberaubenden Geschwindigkeit weg." Es sei wie mit einer Zwiebel: "Wenn ich eine Zwiebel habe und immer mehr Schale entferne – bleibt da ein Kern? Eine Substanz? Oder besteht dieser Glaube nur aus Schalen und am Ende bleibt nichts übrig?", fragt Hösl.
FC Bayern als Alternative zum Christentum
Der Göttinger Pfarrer ist sich sicher: Jeder Mensch glaubt an bestimmte Grundpfeiler. Die Frage sei allerdings: Wem oder was glaube und vertraue ich? Manche glaubten an Veganismus, andere an den FC Bayern München. "Was früher die Religion war, ist heute für manche zum Beispiel der Glaube an einen Fußballverein. Der FC Bayern hat seine Hochämter in der Champions League, die Spieler sind die Heiligen. Die Fans können mitfiebern, mitleiden und die Gesänge im Stadion mitsingen", sagt Hösl.
Von Hype zu Hype
Für ihn schließt sich hier die Frage an: "Warum finden manche Menschen beispielsweise im Fußball etwas, was sie früher vielleicht in der Kirche gefunden haben?", fragt Hösl: "Was können wir tun, damit sie bei unseren Traditionen wieder etwas Passendes finden?". Er sagt, viele würden von einem Hype zum nächsten springen, Glaube habe Substanz und könnte ein Anker werden. Genau das möchte er vermitteln.
Dieser Kern des Glaubens ist für ihn Jesus Christus. Jesus am Kreuz, der nach bestimmten Werten gelebt hatte und von all seinen Freunden verlassen wurde, sei der, der von Gott auferweckt wurde. "Diesem Gott darf ich zutrauen, dass er Lebenssituationen ändern kann. Ich weiß nicht wie, ich weiß nicht wann, ich weiß nur, dass...", sagt der Pfarrer. Genau das, so erzählt er, sei dann auch seine Antwort, wenn ihn Menschen danach fragen, warum sie Leid erleben. "Wir müssen die Frage nach dem Leid nicht verstehen, sondern bestehen." Die Religion könne ein Fundament mitgeben und so eine Kraftressource sein.
Auch wenn er manchmal hadert, letztlich ist Pater Hösl für seine Zweifel dankbar: "Meine Zweifel helfen mir, zweifelnde Menschen zu verstehen."