Die Verlockungen des Verbotenen
Alkohol- und Drogenkonsum sind in der Gesellschaft weit verbreitet - mitunter auch bei Jugendlichen. Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) greifen zehn Prozent der Teenager zwischen zwölf und 17 Jahren einmal in der Woche zu alkoholischen Getränken. Doch wie ist die Situation unter den Schülern des Pasewalker Oskar-Picht-Gymnasiums? Die NDR Newcomernews Reporter haben sich ein eigenes Bild gemacht.
97 Prozent haben schon einmal getrunken
Dazu führten sie eine anonyme Umfrage unter den Neuntklässlern ihrer Schule durch - insgesamt 70 Schülerinnen und Schüler. Das Ergebnis: 97 Prozent der Befragten gaben an, bereits Alkohol getrunken zu haben - obwohl die Mehrheit von ihnen noch unter 16 ist und somit gar keinen Alkohol trinken darf. Auf die Frage, wie sie den Alkoholgenuss empfunden haben, wurde neben Übelkeit, Schwindel und Kater auch genannt, dass das Trinken ein Hochgefühl ausgelöst habe.
Einige haben Erfahrungen mit illegalen Drogen
Die Jugendlichen denken also offenbar häufig nicht an die negativen Seiten des Alkoholkonsums. Fast die Hälfte aller Schüler hat laut Umfrage schon einmal einen "Filmriss" erlebt. 45 von 70 Jugendlichen gaben an, schon einmal geraucht zu haben. Bei 23 Prozent der Schüler blieb es nicht beim Alkohol: Sie erwähnten, auch schon einmal illegale Drogen probiert zu haben. Dabei ist Marihuana am weitesten verbreitet: 16 Schüler gaben an, schon einmal gekifft zu haben. Zusätzlich haben vier Befragte Amphetamine, zwei Befragte Ecstasy und jeweils eine befragte Person Kokain und psychoaktive Pilze ("Magic Mushrooms") konsumiert.
Welche Vorkehrungen werden beim Semester Open-Air getroffen?
Auch auf dem Semester Open-Air, das Elftklässler jedes Jahr auf der Festwiese ausrichten, spielt Alkohol eine große Rolle. Deswegen werde für diese Party Sicherheitspersonal eingestellt, sagen Marie und Lena vom Organisationsteam. Die Security achte darauf, dass zu stark alkoholisierte Personen keinen Zutritt bekommen. So sollen unnötige Krankenwageneinsätze verhindert werden. "Die Aufpasser sorgen auch dafür, dass kein Alkohol auf das Gelände geschmuggelt wird und keine illegalen Drogen konsumiert werden", sagt Lena. Verkäufer auf den Bierwagen müssen zudem unterschreiben, dass kein Alkohol an Jugendliche ausgeschenkt wird. Da es schwer werden kann, das Alter der Personen festzustellen, werden beim Eintritt die Ausweise kontrolliert, und es werden verschiedenfarbige Armbändchen an die verschiedenen Altersgruppen verteilt.
Kinderärztin: Der Konsum nimmt zu
Die Pasewalker Kinderärztin Dr. Mirjam Bennedjema hat in letzter Zeit eine Zunahme beim Konsum von Alkohol und Drogen unter Jugendlichen in der Region festgestellt - entgegen dem bundesweiten Trend, wonach das Konsumverhalten eher rückläufig ist. "Vor zehn Jahren wurde in das Pasewalker Krankenhaus durchschnittlich ein Patient pro Monat wegen übermäßigen Alkoholkonsums eingeliefert", sagt Dr. Bennedjema. "Heute ist dies um das Zwei- bis Dreifache angestiegen." Im vergangenen Jahr sind laut der Oberärztin insgesamt 34 Patienten wegen Alkohol- beziehungsweise Drogenkonsum eingeliefert worden. Ein Grund für den Anstieg ist nach Meinung der Expertin die Verharmlosung des Themas in den Medien. Desweiteren sei vor allem der zu frühe Kontakt mit Alkohol und Drogen ein Grund dafür, dass auch das Risiko dafür steige, später abhängig zu werden.
Körperliche und soziale Folgen
Über die massiven Auswirkungen einer Abhängigkeit weiß die Mutter einer Schülerin zu berichten. Sie ist in einem Haushalt aufgewachsen, in dem der Mann ihrer Mutter an einer Alkoholsucht litt. Er sei zunehmend ruhiger geworden und habe sich mehr und mehr zurückgezogen. Irgendwann wollte die Mutter nicht mehr mit ihrem Mann reden. Dem sei das aber egal gewesen. Er habe nicht mehr alles mitbekommen. Die ganze Sucht habe sich auch auf ihre Kindheit ausgewirkt, erzählt die Betroffene. Sie konnte zum Beispiel keine Freunde zum Übernachten zu sich nach Hause einladen.
Kinder werden schneller erwachsen
Wenn sie mit Freunden zufällig an einem Getränkeladen vorbeikam, habe ihr Vater schon meistens vor dem Eingang gestanden und getrunken. Dies war ihr sehr unangenehm. Sie habe sich auch dafür geschämt, so einen Vater zu haben. Eine weitere Auswirkung der Sucht: Mit zehn Jahren musste die Betroffene schon für die ganze Familie kochen, da ihre Mutter oft wenig Zeit hatte, wenn sie von der Arbeit kam. Außerdem hat sie Wäsche gewaschen und die Tiere gefüttert. Vom trinkenden Vater war nicht viel Hilfe zu erwarten. Die letzten sieben Jahre vor seinem Tod hat der Alkoholiker dann mit dem Trinken und Rauchen aufgehört. Bei ihm war Diabetes diagnostiziert worden.
Dieser Artikel ist durch Schülerinnen und Schüler im Rahmen eines Workshops des Medienbildungsprojekts NDR Newcomernews des NDR Landesfunkhauses entstanden.