Abi up platt - Fluch oder Segen?
von NDR Newcomernews (Ein Medienbildungsprojekt des NDR Landesfunkhauses MV mit Schülerinnen und Schülern.)
Maike Rackwitz macht sich Sorgen. Ihr Traum von einem Medizinstudium steht auf dem Spiel. Um die Zulassung für einen Studienplatz zu bekommen, müsste sie genug Punkte sammeln mit vielen Stunden in Chemie, Physik und Biologie bis zum Abitur. Das soll jedoch an ihrer Schule bald nicht mehr möglich sein, denn das Gymnasium legt seit Kurzem Wert auf Plattdeutsch im Abitur - zum Nachteil der Naturwissenschaften.
Plattdeutsch als Abiturfach
Am Gymnasium Crivitz wird es Plattdeutsch als Abiturfach geben. Zunächst wurde Niederdeutsch nur als Wahlpflichtfach unterrichtet, genauso wie Töpfern oder kreatives Schreiben. Dann jedoch kam der Beschluss vom Bildungsministerium, an einigen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern Plattdeutsch auch als Abiturfach anzubieten, dazu gehört auch das Gymnasium Crivitz. Anfangs gab es viel Zustimmung, doch mittlerweile ist die Stimmung gekippt, denn es zeigt sich, dass diese Entscheidung für viele Schüler auch Nachteile hat.
Minderheiten bevorzugt?
Auch wenn nur ein Schüler Niederdeutsch als Abiturfach wählt, muss der Kurs stattfinden. Wer jedoch Französisch oder Latein im Abitur machen will, muss darauf hoffen, dass sich ein Kurs mit mindestens 12 Schülern zusammenfindet. Die Oberstufenkoordinatorin Andrea Neumann sitzt zwischen den Stühlen. "Das ist total ungerecht. Ich kann nichts dafür. Aber so steht es in der Zielvereinbarung", erklärt die Lehrerin.
"Wo gearbeitet wird, da fallen Späne"
Auch unter den Lehrern sind die neuen Pläne am Gymnasium ein heikles, viel diskutiertes Thema, sagt Schulleiter Hans Schmidt. Aber, die Schule habe sich auf die Fahnen geschrieben, Neues auszuprobieren: "Wo gearbeitet wird und was ausprobiert wird, da fallen Späne, das bedeutet Konflikte, Widersprüche, die man lösen muss." Das Gymnasium Crivitz hat sich um das naturwissenschaftliche und das niederdeutsche Profil beworben, aber nur das niederdeutsche erhalten. Dieser Erwerb bringt eine große Anzahl extra Stunden mit sich, die nicht nur für Niederdeutsch eingesetzt werden können. Zusätzliche Kurse kommen also allen Schülern zu Gute.
Zerplatzt Maikes Traum?
Die 15-jährige Maike möchte schon seit zwei Jahren Ärztin werden. Sie findet es spannend eine Diagnose zu stellen, Menschen zu behandeln und neue Medikamente zu erforschen. Wie sie dahin kommt weiß sie theoretisch schon: An der Universität Greifswald gibt es ein Punktesystem, je mehr Naturwissenschaften sie bis zum Studium hat, desto mehr Punkte bringt sie mit. Da gibt es nur ein Problem: Ihre Schule ändert den Schwerpunkt und damit auch die Wahlmöglichkeiten der Schüler. Das bedeutet für Maike, dass sie im schlimmsten Fall die Schule wechseln muss — dann müsste sie jeden Morgen mit dem Bus in eine andere Stadt fahren. "Alle anderen konnten machen, wie sie wollten. Ich finde die Situation nicht so toll. Das alles hat einen großen Einfluss auf meine Pläne. Ich würde mir wünschen, dass man, wie in den Jahren davor auch, drei Naturwissenschaften weitermachen kann - das wäre eine große Erleichterung für mich, wenn ich an der Schule bleiben könnte."
Im Alltag könnte sich alles ändern
Für die Zehntklässlerin Maike könnte sich der Alltag komplett ändern. Neue Schule, neue Klasse, statt fünf Minuten Schulweg plötzlich eine halbe Stunde im Bus. Aber viel wichtiger ist, dass das Profil der Schule Einfluss haben könnte auf ihr künftiges Studium. Denn wer nicht genug Punkte mitbringt, bekommt entweder gar keinen Studienplatz oder muss an der Uni noch härter arbeiten und über das eigentliche Pensum hinaus jede Menge Stoff nachholen.
Dieser Artikel ist durch Schülerinnen und Schüler im Rahmen des Workshops des Medienbildungsprojekts NDR Newcomernews des NDR Landesfunkhauses entstanden.