Nachgefragt: Barbara Messmer

Gambistin Barbara Messmer im Portät © L. Kornfeld Foto: L. Kornfeld
Barbara Messmer mit ihrer Gambe: "Wer das Instrument einmal gespielt hat, kommt nicht wieder von ihm los."

Barbara Messmer ist Anfang Februar zu Gast beim NDR Chor. Die gebürtige Heidelbergerin mit Wohnsitz in Hamburg ist freischaffende Gambistin und Violonespielerin und Mitglied mehrerer Barockorchester und Ensembles für Alte Musik in ganz Deutschland. Im Kurzinterview erzählt Barbara Messmer ein bisschen mehr über die Viola da gamba, ihre einzigartige Stimme und die Faszination, die von ihr ausgeht.

Wie unterscheidet sich die Viola da gamba vom Cello? Was hat Sie dazu bewogen, die Viola da gamba als Ihr Hauptinstrument zu wählen?

Barbara Messmer: Cello und Viola da gamba gehören verschiedenen Instrumentenfamilien an: Das Violoncello ist das Bassinstrument der Geigenfamilie, die Viola da gamba gehört zur Familie der Gamben. Auch diese gibt es nämlich als ganze Familie: Diskant-, Alt- und Tenor/Bassgambe. Die Gambe hat im Unterschied zum Cello sechs bis sieben Saiten in Quart/Terzstimmung, das Griffbrett ist mit verschiebbaren Bünden versehen, die man jeder Stimmung anpassen kann, der Bogen wird im Untergriff gehalten, die Saiten werden aus Darm hergestellt, Griffbrett und Steg sind flacher gewölbt, um das akkordische Spiel zu erleichtern. Das sind in Kürze die wesentlichen Unterschiede.

Ich habe bereits mit sechs Jahren angefangen, Gambe zu lernen, später sollte ich auf die Geige umsteigen. Doch es gab in Heidelberg, wo ich aufgewachsen bin, eine umfangreiche Alte Musik-Szene, in die ich schnell integriert war. In verschiedenen Ensembles habe ich die Musik der Renaissance und des Barock kennen- und lieben gelernt. Dazu hatte ich eine Lehrerin, Monika Schwamberger, die mich sehr inspiriert und gefördert hat.

Manchmal fragen mich Zuhörer nach Konzerten, ob man nicht sehr eingeschränkt sei, wenn man "nur" Alte Musik machen könne. Keiner macht sich klar, dass man die Musik von vier Jahrhunderten in all ihrer Vielfältigkeit zur Verfügung hat: die solistische Literatur, das Consortspielen, Generalbass, Kammermusik! Es gibt immer wieder neue Stücke zu entdecken. Der Klang der Gambe ist etwas so Besonderes, man kommt von dem Instrument nicht mehr weg, wenn man es einmal gespielt hat.

Nach dem Barockzeitalter wurde die Gambe in der Kammer- und Orchestermusik lange kaum mehr verlangt. Wie kam es zur Renaissance des Instrumentes?

Musik vergangener Epochen galt damals als veraltet. Sogar Kompositionen eines Johann Sebastian Bach verschwanden aus den Konzertsälen. Erst der 20-jährige Felix Mendelssohn holte sie aus der Versenkung und brachte im Jahr 1829 - also 100 Jahre nach der Uraufführung - Bachs Matthäuspassion zusammen mit der Singakademie Berlin zur Aufführung, allerdings um die Hälfte gekürzt. Trotzdem war es ein erster Schritt.

Es dauerte aber noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts bis die alten Instrumente und die Alte Musik durch die Jugendmusikbewegung wiederentdeckt wurden. In diesem Zusammenhang sind Namen zu nennen wie Christian Döbereiner mit der Gründung seiner "Vereinigung für Alte Musik" 1905, oder August Wenzinger mit der Gründung der "Kabeler-Kammermusik" und Wanda Landowska, die das Cembalo wieder salonfähig gemacht hat. 1931 wurde die "Schola Cantorum Basiliensis" als erste Hochschule für Alte Musik gegründet. Später revolutionierte Nikolaus Harnoncourt die Alte Musik-Bewegung, in dem er die Wichtigkeit historischer Aufführungspraxis hervorhob. Sein Buch "Musik als Klangrede" war bahnbrechend.

Sie spielen in den Psalmvertonungen von Heinrich Schütz und in der Vertonung des 130. Psalms durch den zeitgenössischen Komponisten Philippe Hersant mit dem NDR Chor zusammen. Wie hat Hersant die Rolle Ihres Instruments in seiner Komposition ausgestaltet: stärker begleitend oder stärker konzertierend?

Messmer: Meiner Meinung nach ist die Gambenstimme in Philippe Hersants 130. Psalm wie eine weitere Chorstimme. Oft verschmilzt sie im Chorklang, manchmal tritt sie solistisch hervor, manchmal steht sie im Dialog mit dem Chor, manchmal spielt sie unisono mit der Chorbassstimme. Philippe Hersant hat erkannt, wie gut sich der Gambenklang mit der menschlichen Stimme mischt.

Wenn man die Instrumente nimmt nach dem Maßstab, wie sie die menschliche Stimme am besten nachahmen, und wenn man von allen Kunststücken das natürliche am meisten schätzt, so glaube ich, daß man der Viola da gamba den Preis nicht versagen kann, da sie die Stimme in allen ihren Modulationen nachahmt, sogar in ihren eigensten Nuancen, der Trauer und der Freude.

(Musiktheoretiker Marin Mersenne 1636 über die Gambe)

Hersant hat sich ausführlich mit der Gambe beschäftigt. Dabei hat er eng mit der Gambistin Christine Plubeau - lustigerweise eine ehemalige Kommilitonin von mir am Königlichen Konservatorium in Den Haag - zusammengearbeitet. Er hat viele Stücke für Chor und Gambe geschrieben, aber auch einige Stücke für Viola da gamba solo.

Die Fragen stellte Habakuk Traber.

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