Enescus 4. Sinfonie als Weltersteinspielung
Eine Wiederentdeckung des Sinfonikers George Enescu: Unter der Leitung von Peter Ruzicka hat die NDR Radiophilharmonie seine vierte Sinfonie und die Kammersinfonie auf CD eingespielt. Außerdem das Werk "Nuages d'Automne sur les Forêts". Als Sinfoniker ist der rumänische Komponist bis heute kaum bekannt, obwohl er mit einer ganzen Reihe sinfonischer Werke zu einem individuellen Weiterbestehen der sinfonischen Tradition gesorgt hat. Und das in einer Zeit avantgardistischer Neuorientierung.
Höchste Sinfoniekunst - von Enescu geringgeschätzt
Mit der vierten Sinfonie legen Peter Ruzicka und die NDR Radiophilharmonie eine Weltersteinspielung vor: Enescu hatte diese Sinfonie selbst nicht mehr vollständig orchestriert, erst nach einer Instrumentierung durch Pascal Bentoiu wurde sie 1997 uraufgeführt. Dieses Schicksal ist charakteristisch für Enescus Sinfonien: Die fünfte ließ er unvollendet, seine zweite versteckte er sofort nach der Uraufführung, die hochkomplexe dritte brachte es immerhin zu vereinzelten Aufführungen zu seinen Lebzeiten. Eine derartige Zurückhaltung wird dem Wert der Kompositionen nicht gerecht - Enescu erweist sich als ein bedeutender Sinfoniker, dessen Wiederentdeckung ein großer Verdienst ist.
Enescus ganz eigener Stil
In seiner vierten Sinfonie ist spürbar, wie tief verwurzelt Enescu in der rumänischen Musik war und dennoch zu einem ganz eigenen Musikstil gefunden hat. Ohne wirklich "rumänisch" zu klingen, kann doch harmonisch und in spezifischen Intervallfolgen die Nähe zu rumänischen Traditionen nachvollzogen werden. Trotz einer komplexen motivischen Arbeit scheint die Musik in einem fortwährenden Fluss zu sein. Ein zerrissener Ausdruck führt über Trauermarsch-Klänge bis zu einem virtuos-optimistischen Finale.
Auf dem Sterbebett diktiert
Enescus letztes Werk ist die ebenfalls eingespielte Kammersinfonie, die er - bereits von einem schweren Schlaganfall gelähmt - vor seinem Tod noch einem Freund diktiert hat. Entsprechend lassen sich testamentarische Züge aus der Musik herauslesen, gewissermaßen als ein Lebensresümee. Komponiert für zwölf Soloinstrumente, wird die Kammersinfonie von ihrem charakteristischen Bläserklang geprägt.
Der Klang der Melancholie
Mit dem zwanzig Jahre zuvor entstandenen "Nuages d'Automne sur les Forêts" ("Herbstwolken über den Wäldern") beschreibt Enescu elegische Natur-Visionen, die von einer großen Schwermut gezeichnet sind. Die Komposition bricht nach 43 Seiten plötzlich ab. Damit ist sie ebenso wenig vollendet wie die Idee, damit eine große Trilogie "Voix de la Nature" einzuleiten. Nichtsdestotrotz bleibt es ein Werk, das durch die große Ausdruckskraft der musikalischen Stimmungsmalerei beeindruckt.
George Enescu: Symphony 4 & Chamber Symphony
- Genre:
- Klassik
- Zusatzinfo:
- NDR Radiophilharmonie, Peter Ruzicka (Dirigent), Kammersinfonische Besetzung: Christoph Renz (Flöte), Roberto Baltar (Oboe), Mirjam Budday (Englischhorn), Ulf-Guido Schäfer (Klarinette), Malte Refardt (Fagott), Daniel Adam (Horn), Fabian Neuhaus (Trompete), Kathrin Rabus (Violine), Anna Lewis (Viola), Nikolai Schneider (Violoncello), Jürgen Normann (Kontrabass), Markus Becker (Klavier) | GEORGE ENESCU Sinfonie Nr. 4 e-Moll, Nuages d'Automne sur les Forêts, Kammersinfonie op. 33
- Label:
- cpo
- Veröffentlichungsdatum:
- 20.07.2015
- Länge:
- ca. 62 Min.