Urbański & Gerstein
Seit jeher gehören Konzerte fürs Radio zu den wichtigen Aufgaben eines Rundfunkorchesters. In Zeiten der durch die Corona-Pandemie bedingten Ausfälle von Großveranstaltungen erhält diese Tradition nun umso größere Relevanz. Zwar muss das NDR Elbphilharmonie Orchester noch immer auf das unersetzliche Erlebnis eines live vor Publikum gespielten Konzerts verzichten. Seinen Spielbetrieb hat es - unter Einhaltung strenger Hygiene- und Abstandsregeln - aber seit einiger Zeit wieder aufgenommen. Wöchentlich gibt das Orchester nun Konzerte, die live im Radio zu verfolgen sind. So wie auch das Programm unter der Leitung des Ersten Gastdirigenten Krzysztof Urbański gemeinsam mit dem russisch-amerikanischen Pianisten Kirill Gerstein.
Noch einmal hören
Der Mitschnitt von NDR Kultur steht bis zum 16. Juli 2020 als Audio-on-Demand zum Nachhören bereit.
Krzysztof Urbański & Kirill Gerstein
Eigentlich wäre Urbański zum Ende der Saison mit der monumentalen Fünften Sinfonie von Sergej Prokofjew zum NDR Elbphilharmonie Orchester zurückgekehrt. Dieses Werk sprengt allerdings alle Grenzen des aktuell Realisierbaren. Das neue Programm ist daher genau auf die veränderte Spielsituation zugeschnitten – und nicht weniger spannend!
Pendereckis "3 Stücke im alten Stil"
Im Rahmen des Konzerts erinnert Urbanski auch an den großen polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki, der am 29. März im Alter von 86 Jahren in Krakau verstarb. Penderecki, der die Musikwelt in den 1960er Jahren mit avantgardistischen Innovationen aufmischte, einer breiten Öffentlichkeit aber auch mit seinen "moderateren" und oft in Filmen verwendeten Kompositionen aus späteren Jahren bekannt ist, war von 1988 bis 1992 Erster Gastdirigent des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Heute ist sein Landsmann und Nachfolger auf diesem Posten einer seiner wichtigsten Interpreten. Für das Radio-Konzert mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester hat Urbański sich die klein besetzten "3 Stücke im alten Stil" ausgesucht, die Penderecki 1963 für den Film "Die Handschrift von Saragossa" komponierte.
Strawinsky & Debussy
"Im alten Stil" schrieb auch Igor Strawinsky in seiner "neoklassischen" Phase gern. Für sein Ballett "Pulcinella" recycelte er Musik verschiedener Komponisten aus dem 18. Jahrhundert und verlieh den barocken Stücken einen modernen Anstrich. Heraus kam dabei eine äußerst frische, unkomplizierte, lustige Musik.
Unfreiwillig komisch ist die Entstehungsgeschichte von Claude Debussys "Danses" für Streichorchester und Harfe: Die vom Klavierbauer Pleyel beauftragten Stücke entstanden 1904 gleichsam als Marketinginstrument für ein neues Modell einer chromatischen Harfe, die sich gegen die Konkurrenz aus dem Hause Érard durchsetzen sollte. Das gelang zwar nicht, Debussys zart-poetische Tonschöpfungen blieben aber im Repertoire aller Harfenisten – die die Musik heute auf Érards Modell spielen… Im Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters übernimmt diesen Part dessen Solo-Harfenistin Anaëlle Tourret.
Am Klavier: Kirill Gerstein
Den Schlusspunkt im Konzert setzt der weltweit für seine gleichermaßen intelligenten und klangsinnlichen wie virtuosen Interpretationen geschätzte Pianist Kirill Gerstein mit Ludwig van Beethovens Zweitem Klavierkonzert. Es ist der Chronologie nach eigentlich dessen erstes Werk dieser Gattung und atmet noch ganz den Geist Mozarts.
Zugleich komponierte sich Beethoven hier gewissermaßen frei vom Vorbild: Der letzte Satz etwa ist mit seinen plötzlichen Akzenten schon ganz typisch für den Feuerkopf der Wiener Klassik.