Saisonabschluss mit Alan Gilbert & Igor Levit
Chefdirigent Alan Gilbert dirigierte das NDR Elbphilharmonie Orchester zum virtuellen Saisonabschluss im Großen Saal der Elbphilharmonie und führte als Moderator auch persönlich durchs Programm. Als Solist war Star-Pianist Igor Levit mit von der Partie, der während des Corona-Aufführungsstopps mit seinen gestreamten Hauskonzerten für Furore gesorgt und damit einmal mehr gezeigt hatte, dass die Kunst sehr wohl auch in einer Pandemie bestehen kann.
Kammerorchester zum Saisonabschluss
Das Programm des Konzerts richtet sich nach den Möglichkeiten, die das Abstandsgebot vorgibt. Auf die Bühne passen weit weniger Musiker als sonst. Statt spätromantischer Werke für einen riesigen Orchesterapparat ist daher das nicht minder spannende Repertoire für Kammerorchester gefragt. Und das findet man überwiegend vor oder nach dem 19. Jahrhundert.
Beethoven: Sinfonie Nr. 4
Für Ludwig van Beethoven etwa brauchte es kein Coronavirus, um auch mit einem rund 30-köpfigen Ensemble bestens zurechtzukommen. Seine Vierte Sinfonie, die den schwungvollen Schlusspunkt des Konzerts markiert, quillt fast über vor Ideen und Lebensfreude. Robert Schumann bezeichnete sie einmal als "griechisch-schlanke Maid zwischen zwei Nordlandriesen", womit er die heroischen Nachbarsinfonien Nr. 3 und 5 meinte.
Wer genau hinhört, wird aber auch in der scheinbaren Heiterkeit der Vierten zahlreiche Abgründe entdecken. Und so hat man fast den Eindruck, Beethoven wolle noch uns heutigen Zuhörern zurufen, dass alles unbeständig ist: das Glück genauso wie das Unglück. Und dass alles schließlich einen guten Ausgang nehmen wird!
Igor Levit mit Schostakowitschs Klavierkonzert op. 35
Diese Gewissheit hätte Dmitrij Schostakowitsch bitter nötig gehabt. Wie kaum ein anderer sowjetischer Komponist sah er sich in der Stalin-Ära gezwungen, den Balanceakt zwischen staatlich verordneter Ästhetik und persönlichen künstlerischen Zielen zu meistern. In dieser Lage war es nicht selten der Humor, der über Verzweiflung und Mutlosigkeit hinweg zu trösten half.
Ein Beispiel dafür ist das Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester, das 1933 in einer kurzen Phase kulturpolitischer Entspannung entstand. Mit ansteckender Begeisterung für die Parodie und den musikalischen Witz zieht der Komponist hier so manchen Vorgänger durch den Kakao, wobei er sich nicht nur an der Spielfreude, sondern auch an der kleinen Orchesterbesetzung früherer Jahrhunderte orientiert.
Thomas Adès: "Chamber Symphony"
Knapp 60 Jahre später griff auch der britische Komponist Thomas Adès zur kleinen Form und komprimierte die traditionell 4-sätzige Sinfonie mit ähnlich genialem Stilmix zu einem einzigen Satz von nur 13 Minuten Spieldauer. Mit gerade mal 15 Instrumentalisten erzielte Adès in seiner "Chamber Symphony" einen ungeheuren klanglichen und charakterlichen Reichtum, dass man fast vergisst, dass rund 50 Musiker und ebenso viele Minuten Spieldauer für eine "ordentliche" Sinfonie fehlen …