Christoph von Dohnányi - Weltstar am Pult

von Habakuk Traber
Christoph von Dohnányi © (c) dpa - Fotoreport
Christoph von Dohnányi

An Ruhestand denkt er noch lange nicht: Christoph von Dohnányi, der neue Chefdirigent des NDR Sinfonieorchesters. Kurz nach seiner Amtseinführung hat er am 8. September 2004 seinen 75. Geburtstag gefeiert.

Ein internationaler Star

Dirigenten, die regelmäßig Werke junger Zeitgenossen in ihre Programme aufnehmen und dafür die Zustimmung ihres Publikums gewinnen, sind schon recht selten. Aber welcher Maestro des klassischen Fachs würde sich die Show eines Popstars antun und danach ein differenziertes Urteil über die Qualität von Musik und Entertainment abgeben? Welcher Dirigent der internationalen Starklasse würde sich die Mühe machen, in der Rap-Musik die uninspirierte Spreu vom kunsthaltigen Weizen zu trennen?

Christoph von Dohnányi ist ein internationaler Star. Er hat die großen Orchester Europas und der USA geleitet. Er dirigierte nach festen Engagements in Lübeck, Kassel, Frankfurt und Hamburg an den großen Opernhäusern der Welt: an der Wiener Staatsoper, an der New Yorker Met, im Covent Garden in London, am Züricher Opernhaus, an der Opéra Bastille in Paris und bei den Salzburger Festspielen. Er hat sich während seiner Berufsjahre neben klaren Qualitätsmaßstäben, hinter die er nicht zurückgeht, eine unvoreingenommene Sicht auf das Kulturleben und seine internationale Dynamik bewahrt.

Deshalb wird er seine Hamburger Präsenz auch für Initiativen zugunsten des musikalischen Nachwuchses nutzen. Die Arbeit mit dem NDR Sinfonieorchester bietet ihm dabei die ideale Basis. Denn einerseits zählt das Ensemble zur europäischen Spitzengruppe, andererseits bietet die institutionelle Nähe zu Rundfunk und Fernsehen beste Chancen für Dokumentation, Verbreitung und für die tätige Auseinandersetzung um das Verhältnis von klassischer Musik und neuen Medien. Nach dem dramatischen Einbruch des Tonträgermarkts und der rasanten Entwicklung der Mikrotechnologie kommt hier auf die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten neue Verantwortung zu. Dohnányi sieht sie als Chance.

Rückkehr in mehrfachem Sinn

Dirigent Christoph von Dohnányi.

Darin liegt einer der Gründe, weshalb er sich nach zwanzig überaus erfolgreichen Jahren als Music Director des Cleveland Orchestra für die Position beim NDR entschied. Für ihn bedeutet das neue Engagement eine Rückkehr im mehrfachen Sinn. Ehe er die musikalische Chefposition in Cleveland übernahm, war er sieben Jahre Intendant und Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper. Er holte damals junge Schauspielregisseure wie Jürgen Flimm und Luc Bondy ans Musiktheater mit bahnbrechendem Erfolg. Dem Opernbetrieb wollte er höchstmögliche musikalische Qualität gerade im Alltag des Spielbetriebs sichern.

Nach zwanzig Jahren Führungsaufgaben in den USA wollte sich Dohnányi wieder stärker im deutschen Musikleben engagieren. Er sieht sich selbst in der Verantwortung: "Die deutsche Kulturlandschaft ist einmalig. Für alles gibt es inzwischen woanders Gleichwertiges oder Besseres, aber nicht für die Infrastruktur der Kultureinrichtungen. Wenn wir hier versagen und den Abbau, der überall stattfindet, mitmachen, ist dies ein schuldhaftes Verhalten diesem Land gegenüber."

Familiengeschichte

In der Entscheidung für Hamburg setzte sich auch ein Stück Familiengeschichte durch. Die Dohnányis verbanden über Generationen Kunst und Politik, musikalische und wissenschaftliche Begabung, Interesse am öffentlichen Leben in seinen kulturellen und institutionellen Aspekten auf einmalige Weise. Christoph von Dohnányis Großvater war der ungarische Komponist, Pianist und Dirigent Ernst von Dohnányi. Er zog 1905 mit Frau und Kindern nach Berlin, als er an die dortige Musikhochschule berufen worden war.

Die Familie blieb in der deutschen Hauptstadt, als sich Ernst von Dohnányi von ihr trennte und 1914 wieder nach Budapest ging. Für Hans von Dohnányi, Christophs Vater, bedeutete dies eine Entscheidung für Deutschland, für das demokratische Deutschland, das er als erworbene Heimat gegen die Nazidiktatur verteidigte unter Einsatz seines Lebens.

Hans von Dohnanyi begann seine berufliche Laufbahn als Jurist und als Historiker in Hamburg. Die Familie von Christophs Mutter Christine, die Bonhoeffers, wirkten seit Jahrhunderten in sozialen, wissenschaftlichen und künstlerischen Berufen in Deutschland. Der Mann, der Schwager und zwei Brüder Christine von Dohnányis wurden wegen ihrer Beteiligung am Widerstand gegen Hitler noch kurz vor Kriegsende ermordet. Klaus von Dohnanyi, Christophs Bruder, war 1981 bis 1988 Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg.

Beruflicher Werdegang

Christoph von Dohnányi studierte zunächst Jura, ehe er sich für die Dirigentenlaufbahn entschied. Die deutsche und die amerikanische Erfahrung bestimmten bereits seine Ausbildung. Nach einem glänzenden Examen an der Münchner Musikhochschule - Dohnányi wurde als Semesterbester mit dem Richard-Strauss-Preis für Dirigieren und Komposition ausgezeichnet - holte er sich den "letzten Schliff" für seinen Beruf in den USA bei seinem Großvater, der an der Universität Florida lehrte, und in Tanglewood, der modernen Sommeruniversität für angehende Berufsmusiker.

In seiner gesamten Karriere achtete Dohnányi auf eine sorgfältige Balance zwischen Engagement vor Ort und internationaler Erfahrung durch Gastdirigate. Neben seiner Arbeit mit dem NDR Sinfonieorchester wird Christoph von Dohnányi sein Engagement beim Philharmonia Orchestra London beibehalten. Wie kein anderer ist Christoph von Dohnányi dafür prädestiniert, Anregungen aus dem amerikanischen Musikleben für Deutschland fruchtbar zu machen und der Kulturszene auch über Hamburg hinaus neue Impulse zu geben.

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