Nachgefragt: Cellist Sheku Kanneh-Mason
"Ich wünsche der klassischen Musik und dem Live-Konzert, dass sie intensiver und stärker zurückkommen denn je und eine umso größere Wertschätzung erfahren." Sheku Kanneh-Mason gibt Mitte Oktober sein Debüt beim NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Leitung von Chefdirigent Alan Gilbert.
Der totale Aufführungsstopp aufgrund der Corona-Pandemie ist nun bereits einige Monate her und glücklicherweise vom vorsichtigen Neustart des Konzertbetriebs abgelöst worden. Aber wenn Sie einmal zurückblicken: Wie haben Sie sich gefühlt, als klar wurde, dass auf unbestimmte Zeit keine Konzerte mehr stattfinden werden?
Sheku Kanneh-Mason: Ich war unvorstellbar traurig, denn ich liebe es einfach, die Musik, die mich begeistert, aufzuführen und mit dem Publikum in der ganzen Welt zu teilen. Für mich ist Musik am allerbesten live zu erleben, und das ist etwas, was ich in den letzten Monaten definitiv vermisst habe - ganz abgesehen natürlich von all den anderen Sorgen, die jeder von uns in seiner ganz individuellen Situation hatte.
Die zahlreichen Konzertabsagen haben eine große Krise in der Welt der Kultur ausgelöst und das Leben vieler Weltstarts ganz unerwartet entschleunigt. Wie haben Sie diese "Freizeit" verbracht?
Kanneh-Mason: Trotz aller Entbehrungen habe ich versucht, die ungewohnt freie Zeit zu nutzen, um viel neues Repertoire zu lernen und mich ganz auf die Weiterentwicklung meines Cellospiels zu fokussieren.
Ich habe außerdem sehr viel mehr gelesen als sonst und zu Hause mit meiner Familie zusammen gekocht. Die Zeit war für mich insofern auch eine Chance, als ich meine eigenen Zukunftsprojekte planen konnte, was sehr aufregend war. Ich hatte Raum darüber zu reflektieren, was ich tun will, was wichtig ist und was nicht.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Kanneh-Mason: Ich wünsche der klassischen Musik und dem Live-Konzert, dass sie intensiver und stärker zurückkommen denn je und eine umso größere Wertschätzung erfahren.
Wie blicken Sie Ihrem Debüt beim NDR Elbphilharmonie Orchester entgegen?
Kanneh-Mason: Ich freue mich sehr darauf, das erste Mal mit diesem Orchester und unter der Leitung von Alan Gilbert zu musizieren! Ich glaube, es wird eine fantastische Erfahrung für mich sein, mit ihnen das Cellokonzert von Saint-Saëns zu spielen. Ich bin letztes Jahr zum ersten Mal in der Elbphilharmonie aufgetreten und war völlig umgehauen von dem Saal – es war unglaublich, hier zu spielen. Daher kann ich es kaum erwarten, wieder hier zu sein.
Was fasziniert Sie am Cellokonzert Nr. 1 von Saint-Saëns?
Kanneh-Mason: Es ist ein so farbenreiches Stück Musik! Ich liebe die Ballett-Elemente und die lebendigen Charaktere und Bilder, die es heraufbeschwört. Es gibt darin viel wundervolle Kammermusik zwischen dem Solo-Cello und dem Orchester. Das Wechselspiel aus Konversation und Konfrontation zwischen den Orchesterstimmen und dem Solo-Part auszuloten, macht sehr viel Freude.
Ihre Plattenaufnahmen sind förmlich eingeschlagen und Ihr letztes Album fand sich gar in den Top 10 der britischen Charts. Hat dieser Medienerfolg Ihr künstlerisches und privates Leben verändert?
Kanneh-Mason: Ich glaube nicht. Ich schätze mich glücklich, auf ganz wunderbare Unterstützung meiner Familie, Freunde, Lehrer und meines Managements zählen zu können, die mir helfen, davon nicht abgelenkt zu werden. Bei aller Aufmerksamkeit in den Medien bleibt die Konzentration auf meine Entwicklung als Musiker und meine musikalischen Prioritäten das Herz dessen, was ich machen will.
Die Fragen stellte Julius Heile.